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Anfrage an die Stadtverwaltung bezüglich des Schreibens der Stadt Esslingen an die Initiatoren des Bürgerbegehrens vom 24.07.2025

Die Anfrage wurde 30.07.2025 gestellt.

An Herrn Oberbürgermeister
Matthias Klopfer
Rathausplatz 2
73728 Esslingen am Neckar

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Klopfer,

am 30. Juni 2025 hat der Gemeinderat beschlossen, die Stadtbücherei in die Gebäude Zehentgasse 1 und Rathausplatz 14 zu verlagern. Da daraufhin ein Bürgerbegehren angekündigt wurde, ist die Umsetzung des Beschlusses bis zum Vorliegen eines möglichen Bürgerentscheids ausgesetzt.
Am 24.07.2025 wurde seitens des Ordnungs- und Standesamtes ein Schreiben an die Initiatoren des Bürgerbegehrens versendet (Anlage 1).
Am 25.07.2025 wurde das Schreiben auf Instagram veröffentlich: https://www.instagram.com/p/DMeyvEosy46/?igsh=azZ1NWtnMXNkbWF3&img_index=1.
In der Sitzung des Gemeinderats am 28.07.2025 hat Bürgermeister Yalcin Bayraktar auf Nachfrage eines Bürgers erklärt, dass es sich bei diesem Schreiben um einen „Verwaltungsakt“ handelt.
Für den 30.07.2025 sind Gespräche der Stadtverwaltung mit den Initiatoren geplant.
Unsere Anfrage erfolgt aufgrund des großen öffentlichen Interesses, welches das Schreiben der Stadtverwaltung ausgelöst hat. Wir möchten mit unserer Anfrage einerseits den demokratischen Meinungsbildungsprozess stärken und andererseits sicherstellen, dass öffentliche Behörden transparent und rechtskonform handeln.

Namens der AfD-Fraktion bitte ich um Auskunft zum Inhalt des Schreibens an die Initiatoren des Bürgerbegehrens und zur Bewertung des Schreibens als Verwaltungsakt durch Bürgermeister Yalcin Bayraktar:

1. Zur rechtlichen Grundlage

a) Im Schreiben wird auf das Kommunalwahlgesetz Bezug genommen.
I) Welche Gesetze sind relevant? Bitte nennen Sie die entsprechenden Paragraphen.
II) Bitte führen Sie aus, welche Paragraphen Sie durch die Initiatoren verletzt sehen.
III) Wann und wo war das?

b) Im Schreiben wird auf das Straßenrecht Bezug genommen.
I) Welche Gesetze sind relevant? Bitte nennen Sie die entsprechenden Paragraphen.
II) Bitte führen Sie aus, welche Paragraphen Sie durch die Initiatoren verletzt sehen.
III) Wann und wo war das?

c) Verwaltungsakt
I) Auf welcher verfahrens- und verwaltungsrechtlichen Grundlage bezeichnet die Verwaltung das betreffende Schreiben als Verwaltungsakt?
II) Bei einem Verwaltungsakt gibt es einen Rechtsfolgenhinweis, ggf. eine Rechtsmittelbelehrung und begründete Rechtswirkungen für die Betroffenen – z. B. Pflichten, Fristsetzungen und Widerspruchsmöglichkeiten. Warum fehlen diese?

2. Zum Anlass des Schreibens

a) Beschwerden aus der Bevölkerung:
I) Gab es Beschwerden aus der Bevölkerung, welche im Zusammenhang mit der Unterschriftensammlung stehen?
II) Wenn ja, wie viele, wann, welche Beschwerdegründe wurden angeführt?

b) Einflussnahme:
I) Gab es seitens des Oberbürgermeisters, eines der Bürgermeister oder deren Mitarbeiter eine schriftliche oder mündliche Anregung an die Amtsleitung (oder eine anderweitige Einflussnahme auf die Amtsleitung), mit dem Ziel, dass diese an die Initiatoren des Bürgerbegehrens herantritt?
II) Wenn ja, durch wen, wann, in welcher Form und mit welchem konkreten Inhalt?
III) Falls dies in schriftlicher Form erfolgt ist, bitten wir um die Übermittlung des Schreibens.

c) Ähnliche Schreiben:
I) Wurde beim ersten Bürgerbegehren der Stadt Esslingen im Jahr 2018 ein ähnliches Schreiben verfasst?
II) Wenn ja, bitten wir um die Übermittlung des Schreibens.
III) Wenn nein, warum gibt es bei diesem Bürgerbegehren ein solches Schreiben?

3. Zum Inhalt des Schreibens

a) Im Schreiben heißt es: „Die Ansprache von Passanten ohne einen Informationsstand und die Verteilung von Flyern hält die Stadtverwaltung für kritisch.“
Ob die Verwaltung etwas „kritisch“ hält, ist in einer freiheitlichen Demokratie zweitrangig.
I) Entscheidend ist: Ist es legal? Nach unserer Auffassung ist die Ansprache von Passanten ohne einen Informationsstand und die Verteilung von Flyern legal. Das Grundgesetz schützt die Meinungsfreiheit in Wort, Schrift und Bild – ausdrücklich auch im öffentlichen Raum. Ebenso ist das Sammeln von Unterschriften für ein Bürgerbegehren durch Artikel 21 und 28 GG sowie das jeweilige Kommunalrecht gedeckt.
II) Wie bewertet die Rechtsabteilung diese Formulierung?

b) Im Schreiben heißt es weiter: „Unsere Erfahrung ist, dass sich Passanten bedrängt fühlen, wenn auf sie zugegangen wird…“
I) Wann haben sich zuletzt Passanten durch das Zugehen der Stadtverwaltung bedrängt gefühlt?
Eine subjektive Wahrnehmung ersetzt keine rechtliche Beurteilung.
II) Wie beurteilt die Rechtsabteilung die Legalität des Zugehens auf Passanten?

c) Weiter heißt es: „…die Ansprache von Passanten von einem Informationsstand aus, wirkt weniger als ein „Überfall“ auf die Personen…“
Diese Wortwahl ist bemerkenswert: Ein demokratisches Grundrecht – die direkte Bürgeransprache – wird hier unterschwellig kriminalisiert.
I) Wie kommt eine sachlich neutrale Behörde dazu, eine solche Formulierung zu verwenden?

d) „Eine Verteilung von Flyern ohne ein kleines Präsent wird im Bereich der Fußgängerzonen grundsätzlich nicht zugelassen.“ – Diese Regelung halten wir für rechtlich fragwürdig. Eine Einschränkung der Grundrechte (auch auf kommunaler Ebene) bedarf eines legitimen, verhältnismäßigen und gesetzlich fundierten Zwecks. Es ist kaum vorstellbar, dass ein Gericht diese Unterscheidung – mit oder ohne „Präsent“ – bestätigen würde.
I) Auf welcher Gesetzesgrundlage beruht diese Aussage?
II) Gab es in der Vergangenheit Präzedenzfälle, bei welchem diese Regelung angewendet wurde?
III) Wurde seitens der Initiatoren des Bürgerbegehrens Flyer verteilt?
IV) Wenn ja, wann und wo?
V) Wenn nein, wie kommt es zu dieser Formulierung?
VI) Wie bewerten Sie in der Abwägung das Recht der Bürger auf Information über und Teilhabe an dem Bürgerbegehren und möglichen Aufwänden für die Stadtreinigung für die Beseitigung weggeworfener Flyer? VII) Gibt es dazu Erfahrungswerte, welche Anlass für diese Formulierung sind?
VIII) Wenn ja, welche?

4. Zum Handlungsspielraum der Stadtverwaltung

Die Stadtverwaltung kann im Rahmen ihres Hausrechts und gemäß § 16 Abs. 1 Straßengesetz Baden‑Württemberg grundsätzlich eine Sondernutzungserlaubnis für das Sammeln von Unterschriften auf städtischen Veranstaltungen erteilen – etwa bei Events auf Straßen oder Plätzen im Besitz der Stadt. Voraussetzung ist dabei stets eine behördliche Genehmigung. Damit eine solche Regelung nicht nur punktuell, sondern fair und transparent ist, sollte sie für alle Bürgerbegehren gleichermaßen gelten – unabhängig von politischer Ausrichtung. Eine einheitliche Sondernutzungspraxis stärkt das bürgerschaftliche Engagement, unterstützt Chancengleichheit und verbessert das Klima für mehr Bürgerbeteiligung.
a) Gibt es eine Sondernutzungssatzung oder Richtlinie, die Unterschriftensammlungen auf städtischen Veranstaltungen zulässt oder ausschließt – und unter welchen Bedingungen?
b) Falls nein, wie könnte ein solche erstellt werden?
c) Wurde beim ersten Bürgerbegehren eine Sondernutzungserlaubnis zur Unterschriftensammlung erteilt (z. B. bei Wochenmärkten oder auf einem Stadtfest)?
d) Kann die Verwaltung schriftlich darlegen, nach welchen Kriterien eine Sammlung auf städtischen Flächen erlaubt oder abgelehnt wird?
e) Wurde intern geprüft, ob eine Gemeinderats- oder Verwaltungsentscheidung möglich ist, Ausnahmen legal zu ermöglichen?
f) Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht?

Begründung:

Das Schreiben beeinflusst unmittelbar die Bürgerbeteiligung und den demokratischen Prozess gemäß § 21 GemO. Jedwede Formulierung, die Bürgerinnen und Bürger verunsichert oder eine potentielle Beteiligung infrage stellt, bedarf rechtlicher Prüfung und Transparenz. Aufgrund der zeitlichen Limitierung für die Unterschriftensammlung für das Bürgerbegehen (06.10.2025) bitten wir um eine Beantwortung bis 08.08.2025.

Stephan Köthe, Alexander Anderka und Jürgen Häußler
Ihre Stadträte der AfD im Esslinger Gemeinderat

Anlage 1:

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