Anfrage zum Amtsblatt
Die Anfrage wurde 14.08.2025 gestellt.
An Herrn Oberbürgermeister
Matthias Klopfer
Rathausplatz 2
73728 Esslingen am Neckar
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Klopfer,
im Zusammenhang mit der Herausgabe des Esslinger Amtsblatts, das derzeit gemeinsam mit dem Anzeigenblatt Zwiebel im Verbund veröffentlicht wird, bitten wir Sie um Auskunft zu folgenden Punkten:
1. Vertragsgrundlagen
- Welche Verträge bestehen derzeit zwischen der Stadt Esslingen und dem Verlag bzw. Herausgeber der Zwiebel im Hinblick auf die Herstellung, Verteilung und Veröffentlichung des Amtsblatts?
- Seit wann bestehen diese Verträge und welche Laufzeiten, Kündigungsfristen und Verlängerungsoptionen sind darin geregelt?
- Welche finanziellen Regelungen sind in diesen Verträgen festgehalten (z. B. Kostenbeteiligung der Stadt, Anzeigenregelungen, Druck- und Vertriebskosten)?
- Wie erfolgte die Auswahl des Anbieters?
- Wurde(n) die Ausschreibung(en) nach EU-Vergaberichtlinie durchgeführt? Wenn nein, warum nicht?
- Was war das Ergebnis der Ausschreibung(en)?
- Gab es Vergleichsangebote anderer Anbieter? Wenn ja, von wem und mit welchen Eckdaten/Kennzahlen?
- Gab es eine Eruierung, wie hoch der Kostenunterschied pro Ausgabe bei einer getrennten Verteilung gewesen wäre? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht?
2. Zukunftsperspektive
- Ist seitens der Stadt eine Überprüfung oder Neuorganisation der Herausgabe des Amtsblatts geplant, insbesondere im Hinblick auf eine Trennung vom Anzeigenblatt Zwiebel oder eine Neuvergabe an einen anderen Dienstleister?
- Welche rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen müssten erfüllt werden, um eine Neuvergabe bzw. Neustrukturierung umzusetzen?
- Welche Möglichkeiten bestehen, das Amtsblatt künftig eigenständig, separat vom Anzeigenblatt zu veröffentlichen, sei es in gedruckter oder digitaler Form?
- Welche Möglichkeiten sieht die Stadt Esslingen, das Amtsblatt finanziell zu refinanzieren?
- Ist es möglich, in einem klar abgegrenzten Abschnitt des Amtsblatts oder im Anhang des Amtsblatts kostenpflichtige Werbeflächen anzubieten, um Einnahmen zur Refinanzierung des Amtsblatts zu erzielen, ohne die Neutralität und den Informationscharakter des Amtsblatts zu gefährden?
- Gibt es Erfahrungswerte bezüglich der Kosten der Herstellung und Verteilung des Amtsblattes aus anderen Gemeinden?
- Welche Finanzmittel sind im Doppelhaushalt 2024/2025 für die Herstellung und Verteilung des Amtsblatts pro Jahr eingestellt?
- Welche Finanzmittel sind im Doppelhaushalt 2026/2027 für die Herstellung und Verteilung des Amtsblatts pro Jahr eingeplant?
- Welche Mehrkosten entstehen pro Jahr, wenn den Fraktionen/Gruppierungen eine wöchentliche Verlautbarung ermöglicht werden würde? Ab wann wäre eine solche Änderung umsetzbar?
- Welche Mehrkosten entstehen pro Jahr, wenn den Fraktionen/Gruppierungen doppelt so viel Platz wie derzeit ermöglicht werden würde? Ab wann wäre eine solche Änderung umsetzbar?
- Welche Mehrkosten entstehen pro Jahr, wenn in einer kompakten Form die Mülltermine der jeweils nächsten 2 Wochen veröffentlicht werden würden?
- Welche Schritte seitens unserer Fraktion müssen bis wann getätigt werden, um die Herausgabe des Amtsblatts zum nächstmöglichen Zeitpunkt neu [zu] organisieren?
3. Umweltschutz
- Das Esslinger Amtsblatt wird derzeit nur gemeinsam mit dem Anzeigenblatt Zwiebel veröffentlicht. Dies führt dazu, dass Bürgerinnen und Bürger, die Anspruch auf das Amtsblatt haben, gleichzeitig eine erhebliche Menge zusätzlichen Papiers erhalten, das sie nicht benötigen oder wünschen. Liegt der Stadt eine Abschätzung des zusätzlichen Papierverbrauchs vor, der durch die Bündelung des Amtsblatts mit der Zwiebel entsteht?
- Falls eine solche Abschätzung nicht vorliegt, bitten wir um Einholung dieser Information beim Verlag bzw. Herausgeber der Zwiebel. Falls eine Abschätzung existiert, bitten wir um Mitteilung der Ergebnisse.
- Welche Auswirkungen hat diese Praxis auf die CO₂-Bilanz der Stadt Esslingen?
- Wie will die Stadt Esslingen Klimaneutralität bis 2040 im Hinblick auf die Herstellung des Amtsblatts erreichen?
- Ist die derzeitige Praxis im Einklang mit Umwelt- und Ressourcenschutzgesetzen (z.B. Kreislaufwirtschaftsgesetz) und der Nachhaltigkeitsstrategien des Landes?
- Wie stellt die Stadt sicher, dass der Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf das Amtsblatt weiterhin erfüllt wird, ohne dass unnötiger Papierverbrauch entsteht?
- Nach § 1 Abs. 2 der Satzung über die Form der öffentlichen Bekanntmachungen der Stadt Esslingen am Neckar erfolgen öffentliche Bekanntmachungen zu Bauleitplänen im städtischen Amtsblatt „Esslingen informiert“ und ergänzend im Internet. Derzeit erhalten jedoch Haushalte mit einem Aufkleber wie „Keine kostenlosen Zeitungen“, „Keine Wochenblätter“ oder „Keine unadressierte Post“ das Amtsblatt nicht, obwohl die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch auf amtliche Bekanntmachungen haben. Das Amtsblatt ohne Zwiebel im Verbund würde in solchen Fällen eine Zustellung ermöglichen. Wie stellt die Stadt sicher, dass auch diese Haushalte die Pflichtveröffentlichungen in Papierform erhalten, und inwiefern ist die derzeitige Zustellpraxis mit den Anforderungen der Satzung vereinbar?
4. Rechtliches
- Der Verlag bzw. Herausgeber der Zwiebel ermöglicht den Ortsverbänden der CDU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Freien Wähler, Die Linke, FÜR Esslingen und WIR Sportplätze erhalten die kostenlose wöchentliche Veröffentlichung von Beiträgen in Wort und Bild. Dadurch entsteht den Fraktionen und Gruppierungen sowohl ein geschätzter jährlicher Geldwert im unteren fünfstelligen Bereich als auch ein erheblicher öffentlichkeitswirksamer Vorteil. Vor diesem Hintergrund wird das Rechtsamt gebeten, eine Einschätzung abzugeben, ob nach §18 GemO BW eine mögliche Befangenheit der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte der genannten Fraktionen bzw. Gruppierungen bei Abstimmungen zu Angelegenheiten, die eine Neuorganisation der Herausgabe des Amtsblatts zum Ziel haben, bestehen könnte.
- Eine mögliche Befangenheit von Oberbürgermeister Klopfer könnte darin bestehen, dass der Ausschluss des AfD-Ortsverbands von Beiträgen in der Zwiebel dazu führen könnte, dass bestimmte kritische Stimmen in Bezug auf sein Amtswirken nicht veröffentlicht werden. Des Weiteren ermöglicht die Verbindung Zwiebel/Amtsblatt, dass sich dem Oberbürgermeister gewogene politische Mitbewerber (SPD und weitere) kostenlos und werbend zu seinen Amtshandlungen äußern können. Wie lautet dazu die Einschätzung des Rechtsamts?
- Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Stadt Esslingen die Charta der Vielfalt unterzeichnet hat, die eine diskriminierungsfreie Behandlung aller gesellschaftlichen und politischen Gruppen fördert. Vor diesem Hintergrund bitten wir zu prüfen, inwieweit die aktuelle Praxis der kostenlosen Veröffentlichung von Beiträgen in einem im Verbund erscheinenden Anzeigenblatt mit den Grundsätzen der Charta vereinbar ist und uns das Ergebnis der Prüfung mitzuteilen.
- Artikel 3 des Grundgesetzes sagt: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
Der Verlag bzw. Herausgeber der Zwiebel verletzt diesen Artikel des Grundgesetzes, in dem er den AfD Ortsverband Esslingen aus politischen Gründen benachteiligt. Vor diesem Hintergrund bitten wir die Verwaltung um Auskunft: Wie bewertet die Stadt Esslingen die Praxis des Herausgebers der Zwiebel, Beiträge des AfD-Ortsverbands Esslingen aus politischen Gründen nicht zu veröffentlichen, im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz? - Inwiefern ist es nach Auffassung der Verwaltung zulässig, dass die Stadt mit Unternehmen oder Verlagen Geschäftsbeziehungen unterhält, deren Veröffentlichungs- oder Geschäftspraxis möglicherweise mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder anderen verfassungsrechtlichen Vorgaben in Konflikt stehen könnte?
- In wie weit kann die Veröffentlichungs- bzw. Geschäftspraxis des Verlags bzw. des Herausgeber der Zwiebel ein Sonderkündigungsrecht seitens der Stadt begründen?
- Inwieweit ist die Stadt Esslingen aufgrund der Veröffentlichungs- bzw. Geschäftspraxis des Verlags oder Herausgebers der Zwiebel gezwungen, das Vertragsverhältnis gegebenenfalls außerordentlich zu kündigen?
- Nach Art. 21 Grundgesetz (GG) und § 5 Parteiengesetz (PartG) gilt der Grundsatz der Chancengleichheit aller Parteien, der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (u. a. BVerfGE 44, 125 ff. und BVerfGE 138, 102 ff.) insbesondere in der sogenannten Karenzzeit – in der Regel sechs Wochen vor einer Wahl – besonders strikt einzuhalten ist. In dieser Zeit dürfen staatliche Organe und ihre Publikationen weder direkt noch indirekt parteiergreifend tätig werden oder den Wettbewerb zwischen politischen Kräften beeinflussen. Durch die Praxis, das Esslinger Amtsblatt im Verbund mit dem privaten Anzeigenblatt Zwiebel zu veröffentlichen, könnte diese Karenzzeit faktisch umgangen werden:
Im redaktionellen Teil der Zwiebel erscheinen regelmäßig Beiträge bestimmter Parteien und Gruppierungen, diese Veröffentlichungen sind für die betreffenden Akteure kostenlos, sie werden gemeinsam mit dem Amtsblatt verteilt und erreichen so dieselbe Leserschaft, andere politische Kräfte – namentlich der AfD-Ortsverband Esslingen und die AfD-Stadtratsfraktion – sind hiervon ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund bitten wir um Beantwortung folgender Fragen: Wie stellt die Stadt Esslingen sicher, dass die Karenzzeitregelung und die damit verbundenen Neutralitäts- und Gleichbehandlungsgebote nach § 20 GemO BW, Art. 21 GG und § 5 PartG auch im Zusammenhang mit dem gemeinsam verteilten Anzeigenblatt Zwiebel eingehalten werden? - Das Anzeigenblatt Zwiebel ermöglicht allen politischen Akteuren – außer der AfD – auch in der Karenzzeit prominent Anzeigen zu schalten [siehe Anhang untenstehend]. Wie bewertet die Verwaltung diesen Sachverhalt hinsichtlich des Grundsatzes der Chancengleichheit?
- Teilt die Verwaltung die Auffassung, dass durch die Bündelung von Amtsblatt und Zwiebel in der Vorwahlzeit ein faktischer Vorteil für bestimmte Parteien entstehen kann, der den Grundsatz der Chancengleichheit beeinträchtigt?
- Enthalten die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Verlag der Zwiebel Bestimmungen, die sicherstellen, dass während der Karenzzeit keine parteipolitischen Veröffentlichungen erfolgen, die eine Bevorzugung oder Benachteiligung darstellen könnten?
- Falls nein: Plant die Stadt, solche Regelungen künftig vertraglich festzuschreiben?
- Welche Maßnahmen ergreift die Stadt, um in der heißen Wahlkampfphase jegliche mittelbare Wahlbeeinflussung durch Veröffentlichungen im Verbundprodukt Amtsblatt/Zwiebel auszuschließen?
- Wurden in der Vergangenheit diesbezüglich Abstimmungen mit dem Verlag geführt?
- Wir bitten um eine detaillierte schriftliche Beantwortung und – sofern vorhanden – um Vorlage einschlägiger Vertragsauszüge oder interner Regelungen, die die Einhaltung der Karenzzeit sicherstellen.
Begründung:
Gemäß § 20 Abs. 1 GemO Baden-Württemberg ist die Gemeinde verpflichtet, die Öffentlichkeit in geeigneter Weise über ihre Angelegenheiten zu unterrichten. Das Amtsblatt stellt hierbei ein wesentliches Informationsmedium dar, dessen Herausgabe und redaktionelle Gestaltung im Einklang mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit aller politischen Kräfte erfolgen muss. Da das Esslinger Amtsblatt im Verbund mit dem privaten Anzeigenblatt Zwiebel erscheint, das nach eigenen redaktionellen Vorgaben bestimmte politische Parteien von der Veröffentlichung ausschließt, besteht die Gefahr einer mittelbaren Ungleichbehandlung. Dies kann Fragen in Bezug auf die Neutralitätspflicht der Stadt und die Wahrung der Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG aufwerfen. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, die bestehenden vertraglichen Grundlagen transparent darzustellen und zu prüfen, ob eine Neuorganisation oder Neuvergabe der Herausgabe und Verteilung des Amtsblatts angezeigt ist, um eine diskriminierungsfreie, rechtssichere und zukunftsfähige Informationsstruktur sicherzustellen. Wir bitten um eine schriftliche Beantwortung und – sofern möglich – um Übersendung der relevanten Vertragsunterlagen oder Vertragsauszüge.
Stephan Köthe, Alexander Anderka und Jürgen Häußler
Ihre Stadträte der AfD im Esslinger Gemeinderat
Anhang zu Punkt 4.i – Werbung in der Karenzzeit:
