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Ein Stück Geschichte: Karl Kaisers Zeitkapsel im Stadtmuseum

Von Stephan Köthe

Seit 07.01. und noch bis Ende Januar 2025 ist der Inhalt der Zeitkapsel von Karl Kaiser im Esslinger Stadtmuseum „Gelbes Haus“ am Hafenmarkt ausgestellt:

Auszüge aus der „Urkunde“:
Karl Kaiser berichtet von den Bauarbeiten an der „seit vielen Jahren unbenutzt dastehenden Barfüßerkirche“. So habe man am Turm das alte Schieferdach abgenommen, die Ziegel, die noch gut waren, habe man allerdings wiederverwendet. Darüber hinaus versucht Kaiser auch einen möglichst umfassenden Einblick in die damals aktuelle wirtschaftliche und politische Lage zu geben. So sehe „die Welt […] soweit friedlich aus, besonders Deutschland und ganz Europa“. Weniger gut gehe es wirtschaftlich: „Der Geschäftsgang, der in den Jahren 1904 bis 1906 fast nicht zu bewältigen war, hat 1907 ziemlich nachgelassen“. Besonders „geringere Arbeiter u. auch Taglöhner“ hätten darunter zu leiden. Karl Kaiser nennt den Preis für Mostobst (3 Mark/Zentner), Ernteerträge („an Getreide, Heu und Öhmd fehlt es dieses Jahr nicht“) und dass der Wein „besonders gut an der Neckarhalde von Stuttgart bis Plochingen“ stehe, weswegen ein guter Preis (mind. 220 Mark pro 300 Liter) erzielt werden könne.
Anmerkung: Die Barfüßerkirche in Esslingen (auch Hintere Kirche genannt) war die Kirche des Franziskanerordens, der aufgrund seiner Tradition des Barfußgehens und der Bescheidenheit auch als Barfüßer bezeichnet wurde. Sie wurde im Jahr 1270 gegründet und war eine der wichtigsten Klosterkirchen in Esslingen. Nach der Reformation wurde das Kloster im Jahr 1531 aufgelöst, da Esslingen eine evangelische Reichsstadt wurde. Das Gebäude wird heute noch als Andachtsraum genutzt und steht in der Ecke Franziskanergasse/Kupfergasse.
Quelle: https://museen.esslingen.de/start/gelbes_haus/objekt-des-monats.html
Esslinger Zeitung: Was steckt in der geheimnisvollen Zeitkapsel aus dem Kirchturm?

Wer war Karl Kaiser? Eine Chronologie

06.02.1857: Karl Kaiser wird in Steinach im Kreis Sonneberg in Thüringen geboren. Sein voller Name: Karl Georg Philipp Kaiser. Sein Vater Johann Christian Kayser war Bergmann in Steinach, seine Mutter hieß Johanna Margarete Fuchs, eine Tochter des Bergmann und Glasperlenmachers Johann Christian Michael Fuchs, ebenfalls aus Steinach.

Quelle: https://gw.geneanet.org/skoethe_w?lang=de&p=karl+georg+philipp&n=kaiser&oc=0&pz=stephan+andreas&nz=kothe&type=tree&

Circa 1879: Karl Kaiser kommt auf seiner Walz nach Esslingen. Die Walz war eine wichtige Phase auf dem Weg zum Schieferdeckermeister, um Wissen und Techniken von anderen Meistern in verschiedenen Regionen zu lernen.

Zwischen 1885 und 1888: Karl Kaiser erwirbt 2 abbruchreife Häuser in der Hinteren Kirchstr. 15/17 – die heutige Franziskanergasse. Das Bild zeigt die beiden Häuser; von Karl Kaiser mit Schiefer aus Thüringen eingedeckt, zuletzt renoviert im Rahmen der Stadtsanierung im Jahr 1981. Es war Karl Kaisers Idee, die sparsamen Schwaben vom Thüringer Schiefer zu überzeugen: eine Schieferfassade ist nahezu wartungsfrei und bietet eine hervorragende Wärme- und Schalldämmung. Der Aufpreis der Schieferverkleidung amortisiert sich nach kurzer Zeit. Das hat überzeugt.

01.04.1888: Karl Kaiser gründet unter dem Firmennamen „Karl Kaiser“ seinen eigenen Dachdeckerbetrieb in Esslingen am Neckar.

10.07.1888: Karl Kaiser und Maria Barbara Rommel, Tochter des Schmieds Gottfried Rommel aus Alfdorf, heiraten. Maria Rommel ist bis dahin als Haushaltshilfe bei einer Fabrikantenfamilie in Esslingen angestellt.

Zwischen 1889 und 1902 bekommen Karl und Maria 8 Kinder, 1 Jungen und 7 Mädchen. Der kleine Karl stirbt leider im Alter von 2 Jahren. Für jedes seiner 7 Töchter baut Karl Kaiser ein eigene kleine Wohnung im Gebäude Franziskanergasse 15/17.

Quelle: https://gw.geneanet.org/skoethe_w?lang=de&p=maria+barbara&n=rommel&oc=0&pz=stephan+andreas&nz=kothe&type=tree&

1908: Karl Kaiser verfasst oben dargestellte „Urkunde“ und deponiert sie im Mauerwerk der Franziskanerkirche. Er ist als Schieferdeckermeister mit der Instandsetzung der Franziskanerkirche beschäftigt. Die Urkunde ist also 117 Jahre alt!

Im Februar 1924: In Ermangelung eines Nachfolgers aus dem eigenen Haus, übernimmt Karl Kaisers Vorarbeiter Christian Rothenberger Kaiser die Firma „Karl Kaiser“.

13.02.1927: Karl Kaiser stirbt im Alter von 70 Jahren in Esslingen am Neckar.

Die zahlreichen schiefergedeckten Häuser in Esslingen (zum Beispiel die Rückseite von Klein Venedig) und im Umkreis, erzählen von Karl Kaiser – die Häuser sind alle gedeckt mit Thüringer Schiefer, welcher viel haltbarer im Vergleich zum schwäbischen Schiefer ist. Der Schiefer wurde eigens von Karl Kaiser importiert.

Nicht nur die schiefergedeckten Häuser reden: Heidi Gassmann, Esslingens bekannteste ehemalige Stadtführerin, ist eine Enkelin von Karl und Maria Kaiser und kann viele spannende und teils kuriose Geschichten über Karl und Maria Kaiser erzählen!
Esslinger Zeitung: Stadtgeschichte in Heidi Gassmanns Wohnzimmer
Esslinger Zeitung: Zwei Botschafterinnen der Stadt Esslingen verabschieden sich in den Ruhestand

So ging es mit der Firma „Karl Kaiser“ weiter:

Im März 1937 wird die Firma „Karl Kaiser“ von Christian Rothenberger an Edmund Grüner verkauft.
1945 kommt Erhardt Grüner als Lehrling in den väterlichen Betrieb und legte im Jahr 1957 erfolgreich seine Meisterprüfung ab.
1961 übernimmt Erhardt Grüner mit Ehefrau Elisabeth den Betrieb.
1988 beginnt Jörg Grüner seine Ausbildung zum Dachdecker in Stuttgart.
1996 übernimmt Jörg Grüner zusammen mit Ehefrau Ines den Betrieb.
2020 Tom Grüner tritt in vierter „Grüner-Generation“ in die Geschäftsführung ein. Gemeinsam mit seinem Vater Jörg Grüner führt er die heutige Grüner Gmbh.
Quelle: https://www.ddh.de/aktuell/gruener-feierte-125-jaehriges-bestehen-07112013

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