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Zur Sitzung des Ausschuss für Kultur, Sport und Soziales am 23.06.2025: Wohnflächenbonus und Schuldnerberatung

Von Stephan Köthe

Die wichtigsten Tagesordnungspunkte:

TOP 1.1 Einführung eines Wohnflächenbonus
TOP 1.2 Armutsprävention – Ergänzung der Schuldnerberatung um eine Familienschuldnerberatung

TOP 1.1 Einführung eines Wohnflächenbonus

Beschlussantrag: Die Stadt bezahlt bei förderberechtigten Umzügen einen Wohnflächenbonus gemäß den in der Begründung dargelegten Kriterien.

Warum die AfD-Fraktion den Wohnflächenbonus ablehnt (Rede von Stephan Köthe):

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bayraktar, liebe Kolleginnen und Kollegen, 
die AfD-Fraktion lehnt die Einführung des Wohnflächenbonus ab. Diese Maßnahme ist unnötig, ineffizient, intransparent und steht exemplarisch für eine übergriffige Sozialpolitik, die auf Kosten der Allgemeinheit punktuelle Fehlanreize schafft. Wir sagen klar: Der Staat hat nicht zu regulieren, wie Menschen wohnen – schon gar nicht mit Steuergeld.

Ich habe 5 Punkte:

1. Wir fordern einen verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern

Wir Stadträte sind dem verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Mitteln verpflichtet. Jährlich bis zu 30.000 Euro für Prämienzahlungen an Einzelpersonen, die ohnehin aus privaten Gründen umziehen, ist keine Förderung – es ist eine ineffiziente Umverteilung zulasten der Allgemeinheit. Menschen passen ihre Wohnsituation laufend an: Kinder ziehen aus, Ehen enden, Lebensentwürfe verändern sich. Dafür mit öffentlichen Geldern Belohnungen auszuzahlen, entbehrt jeder Logik und Gerechtigkeit. Diese Förderung kommt letztlich nur einer kleinen Gruppe von 5–10 „Insidern“ zugute, die überhaupt davon wissen und die Kriterien erfüllen. Für die breite Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger bleibt das Programm unsichtbar – sie finanzieren es nur über ihre Steuern. Herr Bürgermeister Bayraktar, Sie sagten in Ihrer Eingangsrede: „Es wird niemanden etwas weggenommen.“ Doch! Der Wohnflächenbonus nimmt 30.000 Euro von den Bürgerinnen und Bürgern Esslingens, um sie an die ersten 5-10 glücklichen umziehenden Mietern zu verschenken!

2. Landesmittel sind keine Rechtfertigung für Unsinn

Auch wenn die Mittel vom Land kommen, liegt die Umsetzung in der Verantwortung der Stadt Esslingen – und damit bei uns Stadträten. Nur weil ein Land Unsinn finanziert, müssen wir diesen nicht übernehmen. Öffentliche Verantwortung endet nicht mit der Herkunft des Geldes – sie beginnt dort.

3. Zu der erforderlichen „kommunalen Aktivität bspw. im Bereich der Beratung und Vermittlung“:

Bedingung für die Ausschüttung des Wohnflächenbonus ist, dass der Wohnungswechsel durch „eine kommunale Aktivität bspw. im Bereich der Beratung und Vermittlung“ zustande kommt. Die Art und Weise, wie diese kommunale Aktivität konkret aussieht, wird nicht spezifiziert. Wie stellt sich die Stadtverwaltung diese Aktivität vor? Wie hoch ist der personelle und zeitliche Aufwand, der hierfür zusätzlich entsteht? Eine transparente Darstellung dieser Kosten fehlt in der Beschlussvorlage. [Die Frage wurde in der Sitzung wie folgt beantwortet: es ist keine Aktivität geplant und diese ist auch nicht erforderlich. Sprich: Du ziehst um und schreibst der Stadtverwaltung eine Email mit dem Stichwort „Wohnflächenbonus“ und erhältst 3000-7500 Euro – falls Du unter den ersten 5-10 Einsendern bist.]

4. Der Wohnflächenbonus ist wirkungslos
Schon bei der früheren Wohnungstauschbörse hat sich gezeigt: Kein einziger Antrag wurde gestellt. Jetzt entfällt zwar die Wohnungstauschbörse, hinzukommt aber die verpflichtende „kommunale Aktivität bspw. im Bereich der Beratung und Vermittlung“. Die Hürden haben sich geändert, sie sind aber nicht weniger hoch. Warum sollte das jetzt funktionieren?

5. Der Wohnflächenbonus ist willkürlich

Warum ist ein Mieter, der um 15 qm reduziert förderfähig, aber 2 Mieter, die zusammenziehen und zusammen 15qm weniger verbrauchen, als getrennt lebend, sind nicht förderfähig? Das ist willkürlich und entbehrt jeder Logik. Wie wollen wir das unseren Bürgerinnen und Bürgern erklären?

Zusammenfassend: Wir lehnen den Ansatz ab, dass der Staat seine Bürger dafür belohnt, wenn sie ihre Wohnentscheidungen im Sinne politischer Zielvorgaben treffen. Der Wohnflächenbonus ist ein übergriffiges Instrument. Er vermittelt den Eindruck, der Staat wisse besser, wie groß eine Wohnung sein sollte und was Menschen mit ihrer Wohnfläche zu tun haben. Diese Haltung ist nicht nur paternalistisch – sie ist einer freiheitlichen Gesellschaft unwürdig. Statt Wohnfläche umzuschichten, sollten die strukturellen Probleme des Wohnungsmarkts angegangen werden: schnellere Genehmigungen, Entbürokratisierung des Wohnungsbaus, Abschaffung der Mietpreisdeckelung, niedrigere Zinsen durch eine weniger inflationäre Fiskalpolitik. Der Wohnflächenbonus lenkt von der eigentlichen Aufgabe ab und vermittelt eine trügerische Aktivität – er löst jedoch kein einziges Wohnraumproblem nachhaltig. Wir brauchen keine punktuelle Prämienpolitik für Einzelfälle, sondern eine Wohnraumpolitik, die auf Freiheit, Eigenverantwortung und Angebot setzt. Wir lehnen diese Vorlage ab.

Der Ausschuss für Kultur, Sport und Soziales hat mit 12 Ja- und 2 Nein-Stimmen (FDP und AfD) für die Einführung des Wohnflächenbonus gestimmt.


TOP 1.2 Armutsprävention – Ergänzung der Schuldnerberatung um eine Familienschuldnerberatung

Beschlussantrag:
1. Der Fortschreibung der Rahmenkonzeption Schuldner- und Insolvenzberatung des Landkreises
Esslingen um den Baustein Familienschuldnerberatung wird zugestimmt.

2. Der Kostenbeteiligung der Stadt Esslingen von 3,33% der Personalkosten von 0,7 VZÄ (derzeit in TVöD EG10) wird zugestimmt.

Warum die AfD-Fraktion der Fortschreibung der Rahmenkonzeption zustimmt (Rede von Stephan Köthe):

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bayraktar, liebe Kolleginnen und Kollegen, 
Die gute Nachricht ist: in 2023 war der Landkreis überdurchschnittlich gut bezüglich der Überschuldungsquote: 6,12% statt 6,72 in Baden-Württemberg.
Die schlechte Nachricht ist: Zum Jahreswechsel 2023/2024 standen 389 Personen auf den Wartelisten der fünf Schuldnerberatungsstellen. Die Wartezeit betrug je nach Beratungsstelle zwischen 6 und 18 Monaten. (Quelle: Seite 149 des Sozialberichts).

Die Schuldnerberatung ist, sozial gerecht (hilft dort, wo Hilfe wirklich gebraucht wird), wirtschaftlich sinnvoll (vermeidet teure Folgekosten), gesetzlich notwendig (für Insolvenzverfahren) und praktisch bewährt (hohe Fallzahlen, positive Rückmeldungen, erfolgreiche Entschuldungen). Ihre Fortsetzung ist ein Gebot der sozialen Vernunft und finanziellen Weitsicht – und ein konkreter Beitrag zur Stabilität unserer Stadtgesellschaft.

Wie lang war die Wartezeit in der Beratungsstelle Esslingen im Jahr 2024?
Wie viele Fälle wurden 2024 behandelt?
[Beide Fragen will die Stadtverwaltung zeitnah beantworten.]

Der Ausschuss für Kultur, Sport und Soziales hat einstimmig für die Fortschreibung der Rahmenkonzeption Schuldner- und Insolvenzberatung und der Kostenbeteiligung der Stadt Esslingen von 3,33% an den Personalkosten gestimmt.

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