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Anfrage bezüglich der Vereinbarkeit von Pairing mit der Gemeindeordnung

Die Anfrage wurde 04.07.2025 gestellt und am 30.07.2025 (untenstehend) beantwortet.
Update vom 31.07.2025: Wir haben Widerspruch gegen den Gemeinderatsbeschluss vom 30.06.2025 – Drucksache SGE/343/2024 1. Ergänzung eingelegt.

An Herrn Oberbürgermeister
Matthias Klopfer
Rathausplatz 2
73728 Esslingen am Neckar


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Klopfer,

namens der AfD-Fraktion stelle ich folgende Anfrage zur Vereinbarkeit von Pairing mit der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg:

Fragestellung:
Ist das Verfahren des sogenannten „Pairing“ – also die abspracheweise gegenseitige Stimmenthaltung oder Abwesenheit zweier Ratsmitglieder unterschiedlicher Fraktionen zur Neutralisierung bei Abstimmungen – mit § 32 Absatz 3 und § 34 Absatz 3 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vereinbar?

Begründung:
Nach § 32 Absatz 3 Satz 2 GemO BW sind die Mitglieder des Gemeinderats „an Verpflichtungen und Aufträge, durch die diese Freiheit beschränkt wird, nicht gebunden“. Die Mandatsausübung ist damit höchstpersönlich und unabhängig vorgesehen. Eine vorherige Absprache zwischen Fraktionen zur Abstimmung durch Fernbleiben oder Enthaltung („Pairing“) kann aus unserer Sicht mit diesem Grundsatz kollidieren – insbesondere, wenn die tatsächliche Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Gemeinderäte dadurch faktisch ausgehebelt oder verzerrt wird.

Nach § 34 Absatz 3 Satz 1 GemO BW sind die Mitglieder des Gemeinderats verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen. Ein gezieltes Verlassen des Sitzungssaals unmittelbar vor einer Abstimmung – mit dem erkennbaren Zweck, sich der Stimmabgabe zu entziehen – stellt aus unserer Sicht einen Verstoß gegen diese gesetzliche Teilnahmepflicht dar.


Ziel der Anfrage:

Transparenz und rechtliche Klarheit über zulässige Verhaltensweisen im Abstimmungsverfahren, um künftig rechtssichere und demokratisch einwandfreie Entscheidungen im Gemeinderat zu gewährleisten.

Stephan Köthe, Alexander Anderka und Jürgen Häußler
Ihre Stadträte der AfD im Esslinger Gemeinderat

P.S.: darum geht es: So lief der Showdown zur Stadtbücherei!

Update vom 28.07.2025: Artikel der Esslinger Zeitung: Absprache im Esslinger Gemeinderat: Ist das rechtens? Darin heißt es unter anderem:
Volker Haug, Professor für Öffentliches Recht an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg, sieht das Pairing im Gemeinderat hingegen kritisch. Seiner Meinung nach ist die in Bundes- und Landesparlamenten durchaus übliche Absprache zwischen Fraktionen nicht ohne Weiteres auf Gemeinderäte zu übertragen. „Rechtlich gesehen haben Parlamentsangehörige einen höheren Freiheitsanspruch als Gemeinderats-Mitglieder“, sagt Haug. Im kommunalen Bereich sei etwa die Verpflichtung, an Sitzungen teilzunehmen, sehr viel enger zu sehen. Natürlich könne es manchmal sein, dass ein Gemeinderatsmitglied aus beruflichen oder persönlichen Gründen nicht an einer Sitzung teilnehmen könne. „Aber man kann nicht einfach sagen, was im Parlament geht, geht bei uns auch“, so Haug. So könnten etwa Politiker im Parlament aus Protest eine Sitzung verlassen oder ihr Mandat niederlegen – Gemeinderatsmitglieder aber nicht. Sie müssten sich auf gesetzliche Gründe beziehen.
Nebenbei: der Artikel in der Esslinger Zeitung erschien, bevor unsere Fraktion eine Antwort auf unserer Anfrage erhalten hat. Fair enough: Die Stadtverwaltung hat sich telefonisch für diesen Faux pas entschuldigt.

Die Stadtverwaltung hat am 30.07.2025 geantwortet:

Beantwortung der Anfrage von Stephan Köthe (AfD) bzgl. „Vereinbarkeit von Pairing mit der Gemeindeordnung“ vom 04.07.2025

Sehr geehrter Herr Köthe,

Ihre Anfrage vom 04.07.2025 beantworten wir wie folgt:
Beim sogenannten Pairing handelt es sich um eine Absprache zwischen den in Gemeinderat
vertretenen Fraktionen und Gruppen im Falle einer Abwesenheit einzelner Stadträtinnen und Stadträte. Ziel solcher Pairing-Vereinbarung ist die Wahrung der proportionalen
Mehrheitsverhältnisse im Gremium, die mittels Wahl durch die Bürgerschaft bestimmt wurden.

An derartigen Absprachen ist die Verwaltung grundsätzlich nicht beteiligt. Sie sind jedoch möglich, da generell kein Widerspruch zum geltenden Kommunalrecht besteht. Ganz im Gegenteil kann den einschlägigen Kommentaren sowie bestehender Rechtsprechung entnommen werden, dass Pairing-Vereinbarungen zwischen den Fraktionen des Gemeinderats – sowie sie auch in zahlreichen Landes- und Bundesparlamenten zu Anwendung kommen – zulässig sein dürften. Da die Vereinbarungen freiwillig sind, stehen sie auch nicht im Widerspruch zur freien Ausübung des Mandats. Darüber hinaus besteht zwar eine grundsätzliche Verpflichtung der Stadträtinnen und Stadträte zur Teilnahme an den Sitzungen. Die Pflicht zur Teilnahme an der Abstimmung wird hiervon jedoch nicht umfasst. Ein zeitweises Verlassen des Sitzungsraums – aus welchen Gründen auch immer – ist den Stadträtinnen und Stadträten grundsätzlich möglich. Genauso können sich Stadträtinnen und Stadträte bei der Stimmabgabe jederzeit enthalten, was auf das Abstimmungsergebnis dieselbe Auswirkung hat. Anwesende Mitglieder des Gemeinderats sind also nicht explizit dazu verpflichtet, für oder gegen einen Beschlussantrag zu stimmen.

Ergänzend verweisen wir auf folgenden Wortlaut des VG Darmstadt, Beschluss vom 27.05.2020 – 3 L 722/20.DA: „Zwar ist das „pairing“-Verfahren nicht ausdrücklich in den Kommunalgesetzen
vorgesehen. Das Gericht sieht jedoch keine rechtlichen Bedenken, zumal das Verfahren auch im
Bundestag und zahlreichen Landesparlamenten zur Anwendung kam bzw. noch immer kommt.“ Da keinerlei rechtliche Regelung, Rechtsprechung oder Kommentierung dem entgegensteht ist – wie bereits oben beschrieben – von einer grundsätzlichen Zulässigkeit auszugehen.

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