Aus dem Ausschuss für Kultur, Sport und Soziales am 09.10.2024 – ein Lehrstück, dass es ohne Dialog nur Verlierer gibt

Von Stephan Köthe

TOP 1: Kulturzentrum Dieselstrasse – Erhöhung der institutionellen Förderung zur nachhaltigen Einbindung von DieTanzKompanie by Grégory Darcy ab 2025

Beantragt durch das Kulturamt war die dauerhafte Erhöhung der institutionellen Förderung für das Kulturzentrum Dieselstrasse e.V. um 40.000 Euro ab 01.01.2025, um die inklusive und integrative Arbeit von DieTanzKompanie by Grégory Darcy nachhaltig fortzuführen.

Die CDU-Fraktion stellte den Änderungsantrag, die Erhöhung um 40.000 Euro auf das Jahr 2025 zu begrenzen und dann neu zu entscheiden.

Das waren die Fragen, welche ich gestellt habe:

  1. Fragen zum Übergang Konzeptionsförderung -> Dauerförderung/Eingeliederung:
    DieTanzKompanie erhielt in den Jahren 2020-2024 Konzeptionsförderung (insgesamt 88.000 Euro). Nach den bestehenden Richtlinien ist eine weitere Verlängerung nicht möglich. 
    a) Wie viele Projekte waren in den letzten Jahren in der Konzeptionsförderung? (Antwort: Frage kann adhoc nicht beantwortet werden, sie kann im Rahmen einer Anfrage beantwortet werden).
    b) Wie viele davon wurden in die Dauerförderung übernommen? (Antwort: bislang keine).
    c) Wie sind die Kriterien für eine Übernahme in die Dauerförderung? (Antwort: es gibt keine Kriterien. Der Gemeinderat bzw. der Ausschuss entscheidet über eine Übernahme in die Dauerförderung).
    d) Welche objektiven Entscheidungsgrundlagen/-richtlinien gibt es hierfür? (Antwort: keine, es entscheidet der Gemeinderat bzw. der Ausschuss).
    e) Führt eine Konzeptionsförderung automatisch zur Dauerförderung? (Antwort: über die Verlängerung der Konzeptionsförderung entscheidet eine Jury (bis max. 5 Jahre), über die Dauerförderung entscheidet der Gemeinderat bzw. der Ausschuss, bislang wurde kein Projekt von Konzeptionsförderung in eine Dauerförderung überführt, es gibt keine Kriterien).

    Im Antrag geht nicht um den Übergang von Konzeptförderung zur Dauerförderung, sondern um die Eingliederung eines Projektes, welches derzeit in der Konzeptionsförderung ist und dessen max. Förderzeit von 5 Jahren abgelaufen ist, in den Betrieb des Kulturzentrums Dieselstrasse.
    f) Wie viele Projekte sind in den letzten Jahren in den Betrieb integriert worden? (Antwort: unbekannt. Das entscheidet das Kulturzentrum Dieselstrasse, die Stadt darf darauf keinen Einfluss nehmen).
    g) Wie sind die Kriterien für eine Eingliederung? (Antwort: darüber entscheidet das Kulturzentrum Dieselstrasse, die Stadt darf darauf keinen Einfluss nehmen).
    h) Schaffen wir hier einen Präzedenzfall? Nach 5 Jahre Projektförderung kommt die Dauerförderung oder Eingliederung? (Antwort: über die Eingliederung entscheidet das Kulturzentrum Dieselstrasse, über eine Dauerförderung der Gemeinderat bzw. der Ausschuss).
    i) Warum wird dieses Ensemble integriert und andere nicht? (Antwort: darüber entscheidet das Kulturzentrum Dieselstrasse).
    j) Wie ist es, wenn sich andere Ensembles in der Dieselstraße ansiedeln möchten? Erhalten diese auch die Möglichkeit einer Eingliederung? (Antwort: darüber entscheidet das Kulturzentrum Dieselstrasse).
  2. Fragen zur Finanzierung
    Die angestrebte Finanzierung sieht wie folgt aus: städtischer Zuschuss (40.000 Euro) + Landeszuschuss (? Euro) + weiteren einzuwerbenden Drittmitteln (? Euro)
    a) Kommt der Landeszuschuss gesichert oder könnte dieser noch ausbleiben? (Antwort: der Landeszuschuss beträgt immer 50% des städtischen Zuschusses, in unserem Fall also 20.000 Euro. Der Landeszuschuss ist gesichert).
    b) Was passiert, wenn der Landeszuschuss kommt, die einzuwerbenden Drittmittel aber ausbleiben? (Antwort: diese Frage wurde nicht beantwortet).
    c) Was passiert mit der zu beschließenden dauerhaften Erhöhung, wenn das Engagement der DieTanzKompanie endet? (Antwort: die Erhöhung des städtischen Zuschuss an das Kulturzentrum Dieselstrasse ist dauerhaft und vom Engagement der DieTanzKompanie unabhängig. Das Budget kann aber alle 2 Jahre im Rahmen des Doppelhaushaltes verändert werden).
  3. Fragen zum Gesamtkontext
    a) Warum wird in der Vorlage die wirtschaftlichen Situation des Kulturzentrums Dieselstrasse mit dem Förderwürdigkeit der DieTanzKompanie in Verbindung gebracht? Die wirtschaftliche Situation des Kulturzentrum Dieselstrasse, so bedauerlich sie ist, darf kein Kriterium für eine Dauerförderung eines Ensembles sein. Umgekehrt würde es bedeuten, dass, wenn es Kulturzentrum Dieselstrasse besser geht, es für Künstler schwieriger wird, eingegliedert zu werden. (Antwort: eine Verbindung dieser beiden Themen wurde nicht gesehen bzw. ist nicht beabsichtigt).
    b) Was bedeutet dieser Schritt für den Kulturhaushalt und die Kulturszene in Esslingen insgesamt? (Antwort: es handelt sich um eine dauerhafte Erhöhung des Zuschusses für das Kulturzentrum Dieselstrasse).
    c) Wichtig ist uns, gleiche Bedingungen für alle Kulturschaffenden in Esslingen zu schaffen und Transparenz über die Entscheidungskriterien zu haben. Gibt es diese? (Antwort: über die Eingliederung entscheidet allein das Kulturzentrum Dieselstrasse).

    In Anbetracht der Komplexität, der vielen offen Fragen und des offensichtlichen Diskussionsbedarf stellte ich den Antrag auf „Erste Lesung“, was so viel bedeutet, dass wir heute darüber diskutieren, aber nicht entscheiden sollten (Geschäftsordnung §25f: der Antrag, die Beschlussfassung zu vertagen). In meiner Begründung argumentierte ich, dass wir uns Zeit für eine gründliche Befassung und zur Klärung aller offenen Fragen nehmen sollten und dass wir diese Zeit auch haben. Eine Entscheidung in der nächsten Sitzung ist ausreichend, es gibt keinen Zeitdruck in dieser Sache. Zudem sprach ich davon, dass bei einer sofortigen Abstimmung unklar ist, mit welchem Ergebnis zu rechnen ist und wir auch nicht abschätzen können, welche Auswirkungen unsere Entscheidung haben wird.

    Bürgermeister Yalcin Bayraktar, der die Sitzung sehr gut leitete, ließ wie folgt abstimmen (im Einklang mit der Geschäftsordnung):
    1) Geschäftsordnungsantrag AfD, Stephan Köthe, auf „Erste Lesung“: 1 Ja-Stimme (AfD), 13 Nein-Stimmen (alle anderen) – laut Geschäftsordnung §37h hätte dem Antrag stattgegeben werden müssen, wenn mindestens zwei weiteren stimmberechtigten Mitglieder den Antrag unterstützt hätten. Leider hatte niemand anderes die Notwendigkeit einer weiteren Beratung gesehen. -> der Antrag ist abgelehnt.
    2) Änderungsantrag CDU, Enrico Bertazzoni, die Erhöhung um 40.000 Euro auf das Jahr 2025 zu begrenzen und dann neu zu entscheiden: 7 Ja-Stimmen (CDU, Freie Wähler, FDP/Volt, AfD), 7 Nein-Stimmen (Grüne, SPD, Linke/Für, Wir) -> der Antrag ist abgelehnt.
    3) Antrag, Stadt Esslingen, Kulturamt, auf dauerhafte Erhöhung um 40.000 Euro pro Jahr: 7 Ja-Stimmen (Grüne, SPD, Linke/Für, Wir), 7 Nein-Stimmen (CDU, Freie Wähler, FDP/Volt, AfD) -> der Antrag ist abgelehnt.

    Im Ergebnis bedeutet das, dass das Kulturzentrum Dieselstrasse keine zusätzlichen Mittel ab 01.01.2025 erhält. Die Zukunft der DieTanzKompanie ist ungewiss. Aus mir unerklärlichen Gründen war keine weitere Diskussion erwünscht und auch kein Bemühen für einen Kompromiss erkennbar. Ohne Dialog gibt es nur Verlierer.
    Nachtrag aus meinen Überlegungen von heute Nacht (10.10.2024), wie DieTanzKompanie ihre Arbeit doch noch städtisch gefördert fortsetzen könnte: wenn das Engagement der DieTanzKompanie in eine förderfähige Rechtsform integriert oder überführt werden könnte, könnte ein neuer Förderantrag gestellt werden. Dieses Vorgehen bedürfte selbstverständlich vorab einer rechtlichen Prüfung – und nach Antragstellung auch einer Mehrheit im Ausschuss.

    Leider war von der Esslinger Zeitung kein Journalist anwesend.
    So berichtet die EZ am 11.10.2024 vom Sitzungsverlauf (Auszug): „Ein Patt im Esslinger Kulturausschuss bedeutet wohl das Ende des überregional renommierten und inklusiven Tanzensembles von Grégory Darcy. Vertreter von SPD, Grüne, Linke und WIR stimmten am Mittwoch zwar dafür, die institutionelle Förderung für die Dieselstraße ab 1. Januar um 40 000 Euro zu erhöhen. Demgegenüber standen genauso viele Nein-Stimmen von CDU, Freie Wähler, FDP/Volt und AfD.“
    Meine Kritik an der Berichterstattung der EZ: Der Artikel führt in die Irre. Dem Leser wird vermittelt, dass die Förderung an den Nein-Stimmen von CDU, Freie Wähler, FDP/Volt und AfD gescheitert ist. In Wahrheit ist die Förderung an der Sturheit von SPD, Grüne, Linke und WIR (welche dem Antrag der CDU, den man als Kompromiss ansehen kann, nicht gefolgt sind) und der Dialogverweigerung aller (welche dem Antrag der AfD auf Vertagung der Entscheidung nicht gefolgt sind), gescheitert.
    In etwa so hätte eine neutrale Berichterstattung aussehen können, welche die Leserschaft in die Lage versetzt hätte, sich eine objektive Meinung zu bilden: „Ein Änderungsantrag der CDU auf Befristung der Zuschüsse für das Jahr 2025 und dann im Rahmen der Haushaltsverhandlungen erneut zu entscheiden, wurde von SPD, Grüne, Linke und WIR abgelehnt. Der Geschäftsordnungsantrag der AfD auf Vertagung des Beschlusses, um sich mehr Zeit für die Befassung zu geben, wurde von allen anderen Ausschussmitgliedern abgelehnt.“

    Es verwundert nicht, dass am 21.10.2024, aufgrund der irreführenden Berichterstattung der Esslinger Zeitung, gleich 5 Leserbriefe zu dem Thema veröffentlicht wurden (neben einer unbekannten Zahl nicht veröffentlichter Leserbriefe). Alle Schreiber sind der Esslinger Zeitung auf dem Leim gegangen. Nur wenige Klicks hätten genügt, um das Protokoll der Sitzung oder den detaillierten Bericht auf dieser Webseite zu finden. Primärquellen zu konsultieren sind trotz leichtestem Zugang immer noch eine Ausnahme.
    2 Lesebriefschreiber adressieren explizit die AfD. Schade, wenn man trotz bester Intension in der Sitzung an der Brandmauer scheitert und am Ende in der Presse vom Bürger gebrandmarkt wird.

    Immerhin wurde die Berichterstattung der EZ am 21.10.2024 korrigiert:
    Wie der Esslinger Kulturausschuss etwas beschloss, was niemand wollte
    Richtigerweise wird vor allem auf folgende Sachverhalte eingegangen:
    Annette Silberhorn-Hemminger, Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, sagt: „Uns hat vor allem gestört, dass die Finanzierung nicht sauber abgegrenzt war.“ Ihre Fraktion wolle durchaus die Tanzkompanie unterstützen – aber direkt, und nicht über den Umweg über das Kulturzentrum Dieselstraße.
    CDU-Fraktionschef Tim Hauser erklärt: „Unsere Kritik war die Dauerförderung.“ Gerade weil die Dieselstraße, nicht aber das Projekt an sich, gefördert werde, halte man eine dauerhafte Unterstützung für schwierig. Schließlich werde eine solche auch dann fortgesetzt, wenn das Projekt nicht mehr laufe. Deshalb wolle man die Tanzkompanie, die man sehr positiv sehe, vorerst nur für ein Jahr fördern.


TOP 2: Einrichtung eines Integrationsnetzwerks in der Stadt Esslingen a.N.

Das Amt für Soziales, Integration und Sport beantragt die Zustimmung zur Einrichtung eines Integrationsnetzwerkes. Das Netzwerk besteht aus drei Komponenten:
den Arbeitsgruppen/sonstigen Gremien (AGs),
dem Integrationsforum (IF),
dem Fachrat für Migration und Integration (FMI)

Dazu stellte ich folgende Fragen:
a) Ist es richtig, dass es diese 3 Komponenten bereits gibt (AGs, IF, FMI)? (Antwort: nein, das Integrationsforum gibt es noch nicht, die Arbeitsgruppen „Beratung“ und „Arbeit“ sind neu, die anderen Arbeitsgruppen werden zum Teil umorganisiert bzw. sind derzeit beim Kreis ansässig).

b) Welche Rechtsform hat dieses Netzwerk? (Antwort: es ist als städtisches Gremium ein Teil der Stadtverwaltung).

c) Warum macht diese Integrationsarbeit nicht der Integrationsbeauftragte? Er könnte je nach Notwendigkeit Sitzungen einberufen und hätte ohne eine Geschäftsordnung mehr Handlungsspielraum? (Antwort: die Geschäftsordnung, welche bisher für den Fachrat für Migration und Integration gültig war, wird durch die neue Geschäftsordnung, welche alle 3 Komponenten integriert, abgelöst).

Der Einrichtung eines Integrationsnetzwerkes wurde mit einer Gegenstimme (Linke/Für) zugestimmt.

TOP 3: Kooperationsvereinbarung mit dem Rudolf-Sophien-Stift (RSS) zur Quartiersarbeit in Hohenkreuz

Frau Koch stellte die Grundsätze der Quartiersarbeit in Esslingen vor. Frau Leimbach erklärte das Konzept zur Quartiersarbeit in Hohenkreuz, welches auf eine Kooperationsvereinbarung mit dem Rudolf-Sophien-Stift (RSS) basiert.
Quartiersarbeit ist insbesondere für Menschen in prekären Situationen lebenswichtig. Quartiersarbeit ist Vertrauensarbeit. Vertrauen benötigt Zeit – und Kontinuität.
Ich hatte keine Fragen zum Konzept, bedankte mich für die sehr gute Vorstellung und wünschte der Quartiersarbeit in Hohenkreuz viel Erfolg.

Der Kooperationsvereinbarung mit dem Rudolf-Sophien-Stift (RSS) zur Quartiersarbeit in Hohenkreuz wurde einstimmig zugestimmt.

Das öffentliche Beschlussprotokoll:

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