Wie Grundschulen rechtlich und pädagogisch problematisch in Familien einwirken

Von Stephan Köthe

Hausaufgaben der besonderen Art für Kinder der Klasse 3: Ein Eltern-Kinder Klimaschutzvertrag!

In der Werbe-Broschüre für diese Aktion heißt es:
„In einer Hausaufgabe schließen Kinder und ihre Eltern einen Vertrag ab, wie ihr persönlicher Beitrag für ein besseres Klima aussehen soll. Die ausgefüllten Klimapunktekarten sind ein Beleg für das Wissen und aktive Handeln der Kinder als Klimahelden. Sie wissen nun: Durch einfache Verhaltensänderungen im Alltag können wir unserer Erde helfen und unseren CO2-Ausstoß wirkungsvoll reduzieren! Ein T-Shirt als Abschlussgeschenk trägt die Botschaft in die Welt!“
Quelle: https://klimaheldin.com/wp-content/uploads/2023/09/Flyer_2023.pdf

Die Belohnung für einen unterschriebenen Vertrag – ein KLIMAHELD-T-Shirt:

Quelle: https://klimaheldin.com/

Wo ist das Problem?

Ein Eltern-Kind Vertrag + Belohnung überschreitet die Grenze zur familiären Erziehung.

In Art. 6 Abs. 2 GG heißt es:
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Wenn Kinder dazu aufgefordert werden, zu Hause auf das Verhalten der Eltern zu achten oder gemeinsam mit den Eltern vertragliche Verpflichtungen zu unterzeichnen, greift die Schule mittelbar in den familiären Erziehungsbereich ein. Kinder werden in eine Rolle gebracht, die sie außerhalb des schulischen Rahmens gegenüber ihren Eltern zu Kontrollierenden macht. Was eine Familie isst, ob und wie sie Fleisch konsumiert, ist Teil ihrer privaten Lebensgestaltung – kein schulischer Regelungsbereich. Komplexe Fragen von Ernährung, Ethik und Ökologie werden auf ein plakatives Feindbild reduziert. Das widerspricht der schulischen Aufgabe, Toleranz, Respekt und Urteilsfähigkeit zu fördern.

„Verträge“ oder Belohnungssysteme (z. B. ein T-Shirt bei Rückgabe) können bei Kindern einen sozialen oder psychischen Druck erzeugen, sich in familiäre Entscheidungen einzumischen. Das steht nicht im Einklang mit dem Gedanken, dass die Schule die Erziehungsarbeit der Eltern unterstützen, aber nicht ersetzen oder steuern soll (Schulgesetz Baden-Württemberg § 1 Abs. 3 SchG):
(3) Bei der Erfüllung ihres Auftrags hat die Schule das verfassungsmäßige Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder mitzubestimmen, zu achten und die Verantwortung der übrigen Träger der Erziehung und Bildung zu berücksichtigen.

Das Vorgehen ist auch pädagogisch fragwürdig:

  • Sie kann Kinder in Loyalitätskonflikte bringen („Ich soll Mama sagen, dass sie weniger Auto fährt“)
  • Sie kann das Vertrauensverhältnis in der Familie beeinträchtigen.
  • Sie kann das Miteinander der Kinder in der Schule beinträchtigen. Kinder mit Klimaheld-T-Shirt gegen Kinder ohne Klimaheld-T-Shirt, Kinder mit politisch korrektem Pausenbrot und Kinder mit inkorrektem Salami-Pausen-Brot (Sarkastisch: eine Pausen-Brot-Ansprache für Klima-Gefährder wäre hier der nächste konsequente Schritt zur Rettung des Weltklimas).
  • Sie instrumentalisiert Kinder als Träger einer politischen oder moralischen Agenda.
  • Belohnung (T-Shirt) verstärkt den Druck und mindert die Freiwilligkeit.
    Sarkastisch: In der bewährten Tradition totalitärer deutscher Systeme könnte auch eine T-Shirt-Ausgabe mit der Aufschrift „Held des Klimas“ überlegenswert sein.

Eine pädagogisch sinnvolle Variante wäre:

  • Freiwillige Projekte ohne Belohnungszwang („Wir probieren zu Hause Energiesparen aus“).
  • Reflexionsbögen statt „Verträge“.
  • Keine Verpflichtung zur Unterschrift oder Rückgabe.

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