Zu Besuch im Parallel-Universum – ein Kurzbericht über die SPD Veranstaltung „Lesung & Diskussion“ zu den Wahlen in Ostdeutschland
Von Stephan Köthe
Gut beworben war sie jedenfalls, die Veranstaltung am 15.08.2024 in der SPD-Zentrale in der Katharinenstr. 21 in Esslingen. Plakate hingen prominent in der Stadt, die allermeisten Estival-Besucher haben sie wohl gesehen.
Die Esslinger Zeitung bewarb die Veranstaltung in ihrer Samstagsausgabe (10.08.2024) und vermerkten: Die Veranstalter versprechen „nichts Geringeres als einen Abend über die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie“. Welche Bedeutung die Wahlen in Ostdeutschland auch für Esslingen haben, möchte Nicolas Fink in einer Diskussion beleuchten.
Die Ausgabe der Zwiebel vom 09.08.2024 zitierte unter der Überschrift „Einladung zu einer Lesung mit EZ-Redakteur Fischer“ in Bezug auf den wahrscheinlichen Wahlerfolg der AfD in den drei östlichen Bundesländern Herrn Nicolas Fink: „Es stellt sich die Frage, wie die demokratischen Parteien sich in einer solchen Situation verhalten würden…“
Da fühlt man sich als frisch gewählter AfD Stadtrat direkt angesprochen und so kam es, dass Alexander Anderka und ich, Stephan Köthe, der Einladung gerne gefolgt sind. Eingefunden hatten sich circa 25 Personen im (damit) gut gefüllten Versammlungsraum in der Katharinenstr. 21.
Johannes Maria Fischer las einige Passagen aus der Biographie von Bodo Ramelow „…und manchmal platzt der Kragen“. Bodo Ramelow wird als vielschichtige Persönlichkeit dargestellt, welche sich nicht in Schubladen einordnen lässt und auch im linken Millieu zu Kontroversen geführt hat. Insbesondere die fragliche Rolle des Verfassungsschutzes wurde ausgiebig beleuchtet. Geringfügigkeiten wie eine Unterstützerunterschrift habe möglicherweise die Überwachung ausgelöst, ein dubioser „Extremismusforscher“ habe in einer Art Doppelrolle agiert und neben publizistischer Tätigkeiten auch subversiv gearbeitet. Das Resümee: Der Verfassungsschutz wurde für politische Interessen der Regierung instrumentalisiert.
Anmerkung: Bodo Ramelow wurde seit den 1980er Jahren bis 1999 vom Verfassungsschutz überwacht. Von 2003 bis 2020 stritt Bodo Ramelow „um eine Auskunftserteilung über die zu seiner Person vorliegenden Daten, um die Rechtmäßigkeit seiner Beobachtung und die seiner Partei klären zu können.“ (laut wikipedia). Seit 2014 ist er mit einer kurzen Unterbrechung (Angela Merkel musste aus Südafrika erst seine Wahlniederlage rückgängig machen), Ministerpräsident von Thüringen.
Bis zu diesem Zeitpunkt war es eine kurzweilige, anregende Veranstaltung, welche hätte so leicht und naheliegend konstruktiv weitergeführt werden können: denn es ist offensichtlich, dass sich der Verfassungsschutz bis zum heutigen Tag von Regierungsinteressen instrumentalisieren lässt. Die Weisungsbefugnis des Innenministers macht’s möglich. Die Forderung nach einer Reform des Verfassungsschutzes wäre eine Konsequenz aus der Biographie Ramelows gewesen.
Aber weit gefehlt! Der biographische Teil des Abends endet an dieser Stelle. Nicht gesagt wurde: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellt alle ihre Vorgänger in Bezug auf den Missbrauch des Verfassungsschutz in den Schatten. Hans Georg Maaßen weigert sich, die Lüge über Hetzjagden zu unterstützen? Er wird nicht nur ausgetauscht durch Thomas Haldenwang, Hans Georg Maaßen wird gleich noch als Rechtsextremist klassifiziert und von seiner eigenen Behörde überwacht. War also jahrelang ein Rechtsextremist Präsident des Verfassungsschutzes? Oder ist es doch vielmehr so, dass mit dem Verfassungsschutz Politik gemacht wird? Ist ein Missbrauch des Verfassungsschutz nicht ein Angriff auf unsere freiheitlich demokratische Grundordnung? Kritische Fragen und investigativer Journalismus (nicht nur zu diesem Thema)? Fehlanzeige bei dieser Veranstaltung!
Stattdessen folgte nun in einem zweiten Teil eine wahllose Aneinanderreihung von Aussagen gegen die AfD, welche allesamt unbegründet präsentiert wurden – ein verstörender Einblick in das Parallel-Universum der SPD und eines führenden Esslinger Medienschaffenden. Beim Zuhören schwankte ich zwischen: meinen die das im Ernst? Ist das schon pathologisch? Oder ist das ernsthaft die Strategie, um den Wähler davon zu überzeugen, dass man als SPD eine politische Daseinsberechtigung hat? Oder um den Leser davon zu überzeugen, dass man mit der Esslinger Zeitung besser informiert ist?
Sinngemäße Aussagen von Nikolaus Fink (auszugsweise, personelle Zuordnung vom 19.08.2024):
Das Ziel der AfD ist es, die Demokratie abzuschaffen.
Die AfD ist rassistisch und rechtsextrem.
Die AfD will die Verfassung gezielt unterwandern.
Die AfD bietet einfache Lösungen in einer komplexen Welt.
Populismus vereinfacht komplexe Sachverhalte.
Die AfD ist demokratiefeindlich und unanständig.
Die AfD wird nicht wegen ihrer Inhalte gewählt.
Es darf keine Kooperation und kein Miteinander geben.
Normalisierung ist die große Gefahr.
Es darf auf die Stimmen der AfD nicht ankommen.
Johannes M. Fischer sagte sinngemäß:
Wer eine Brandmauer ankündigt, der muss sie auch umsetzen.
In der AfD sind Menschen, welche die Verfassung gezielt unterwandern.
Es war bislang sehr ruhig im Gemeinderat und harmonisch, jetzt wird es vermutlich deutlich schwieriger werden.
Ich hätte gut und gerne zu jeder dieser Aussagen einen Wortbeitrag liefern können.
Aber: wer würde mir zuhören?
Derjenige, der vom Podium aus spricht? Wer ernsthaft solche Inhalte von sich gibt, dem geht es nicht um Wahrheitsfindung. Der würde mich nicht hören.
Derjenige, im Publikum? Wer bei diesen Aussagen zuhören kann, ohne dass er merkt, wie er hier manipuliert wird, der hat eine ganz schlechte Prognose, ich befürchte, es würde ihm nicht helfen, wenn er mir zuhört. Sich selbst zu informieren ist Bürgerpflicht (heute leichter, denn je). Selbst zu denken, ist so wichtig, wie in allen Zeiten.
Alle, die uns kennen, wissen: wir sind in der AfD engagiert, denn:
…unser Ziel ist es, die Demokratie zu erhalten.
Wir sind nicht rassistisch und nicht rechtsextrem.
Wir wollen unsere Verfassung gegen Unterwanderung schützen (insbesondere durch die Unterwanderung durch die Regierung).
Die AfD bietet Lösungen (ja, für eine komplexe Welt).
Populismus sucht den Wähler und seine Interessen.
Die AfD ist eine durch und durch demokratische Partei, welche die Demokratie verteidigt… …und wir sind (meistens) anständig 😃
Die AfD wird wegen ihrer Inhalte gewählt.
Miteinander und Füreinander!
Normalisierung ist unser Ziel und das Mittel der Wahl gegen Politikverdrossenheit.
Vielleicht war es bislang sehr ruhig im Gemeinderat und harmonisch (mich haben dazu andere Meinungen erreicht, aber sei’s drum), vermutlich wird’s etwas lebendiger werden.
Es darf und wird auf die Stimmen der AfD ankommen.
Schmunzeln musste ich insbesondere bei der Aussage, dass Populismus komplexe Sachverhalte vereinfacht – denn genau das wurde an diesem Abend von Seiten des Podiums geboten. Keinerlei inhaltliche Auseinandersetzung, defacto keine Differenzierung, nur ein „Dialog“ zwischen einem Landtagsabgeordneten der SPD und eines Chefredakteurs, die in allen relevanten Punkten einer Meinung waren. Chefredakteurs Johannes M. Fischer betont zwar, keiner Partei anzugehören, war aber ganz auf SPD-Linie.
Johannes M. Fischer rät den Parteien vor einer Wahl, das Ergebnis abzusprechen (damit im vorhin klar ist, ob die AfD-Stimmen den Unterschied machen würden – und falls ja, im Vorfeld neu verhandelt wird). Das kann man machen, aber entspricht das dem Wesen eines Parlaments? Nur noch Abstimmungen, bei denen klar ist, wie sie ausgehen? Sollten zukünftig 37 der 40 Esslinger Stadträte in einer Art Vorab-Abstimmung testweise abstimmen? Wollen wir eine Art nicht öffentliches Schatten-Parlament? Oder wollen wir die Abstimmung nicht gleich in eine Art Schatten-Ältestenrat verlegen? Und dann die öffentliche Aufführung im Alten Rathaus als Demokratie-Schauspiel zelebrieren?
Ist ein Parlament nicht dazu da, öffentlich zu diskutieren und Argumente auszutauschen?
Um gemeinsam nach besten Lösungen zu suchen? Wozu diskutieren wir noch, wenn das Ergebnis vorher schon besprochen wurde? Ist ein Mandatsträger nicht von Gesetz wegen allein seinem Gewissen (und idealer Weise dem Bürger) verpflichtet? Und könnten sich in einer Diskussion im Parlament nicht neue Gesichtspunkte eröffnen, die ein anderes Abstimmungsverhalten zur Folge haben?
Wollen Nicolas Fink und Johannes M. Fischer unsere Demokratie aus Angst vor den vermeintlichen Demokratiefeinden in der AfD demontieren?
Da fragt man sich – in Anbetracht solcher Überlegungen – ernsthaft, warum es so viel Politikverdrossenheit in der Bevölkerung gibt?
Zuletzt stellt sich die Frage nach der Zukunftsfähigkeit…
…für so eine SPD: Wer sollte die wählen? Und warum? Damit eine andere Partei bekämpft wird? Das ist zu wenig! Die SPD muss wieder danach fragen, was die Bürger auf dem Herzen haben! Politik für die Wähler, nicht gegen eine Partei! Dann klappt es auch wieder mit den Wahlen.
…für so eine Zeitung: Wer sollte die lesen und dafür noch Geld ausgeben? Und warum? Offensichtlich ist: eine gesunde Portion Misstrauen ist angezeigt. Man wird selektiv informiert; über einen relevante Teil der Realität wird nicht berichtet. Dass die Zwiebel (ein Produkt der Esslinger Zeitung) den von den Bürger gewählten AfD-Stadträten nicht dieselben Möglichkeiten einräumt, wie den anderen Stadträten, ist in Anbetracht dieses Chefredakteurs nicht verwunderlich – aber ist es schlau? Die Bürger nehmen’s jedenfalls zur Kenntnis, denken sich ihren Teil – und viele von ihnen kontaktieren uns direkt! Ein Grund, warum wir stetig wachsen – noch nie waren wir so viele Mitglieder, wie heute!
Auch für uns als AfD, stellt sich die Frage nach der Zukunftsfähigkeit – insbesondere dann, wenn wir mit in Regierungsverantwortung sind. Dann zeigt sich, ob wir in einer komplexen Welt die besten Lösung umsetzen, ob wir verantwortungsvoll mit dem Mandat des Wählers umgehen, ob wir Wort halten. Sollte uns das gelingen, haben wir Zukunft, dann bestätigt sich: unser Land hat eine freiheitliche Alternative! Die Zeit wird es zeigen!
Bleiben wir gelassen! Haben wir Mut zur Demokratie! Unsere Demokratie ist robust! Der Bürger ist souverän. Er entscheidet nach seinen Interessen! Er wird die wählen, die sich als verlässlich erweisen. Die Zeit wird zeigen, wer sein Vertrauen verdient hat – und wer es nicht verdient hat. Die einen bleiben, die anderen gehen.
Freuen wir uns, dass wir trotz schwieriger Rahmenbedingungen in Freiheit leben dürfen. Es gibt eine gute Zukunft! Arbeiten wir gemeinsam daran! Ich freue mich darauf!
Stephan Köthe
Fraktionsvorsitzender der Alternative für Deutschland im Gemeinderat Esslingen am Neckar
P.S.: Unsere Infoabende werden nicht in der Esslinger Zeitung und der Zwiebel beworben. Zudem werden Wirte bedroht und haben Angst vor Anschlägen (die Gefahr von links ist real). Trotzdem ist jeder unserer Infoabende besser besucht, als die gut beworbene Veranstaltung in der SPD-Zentrale. Jeder, der uns kennenlernt, sieht, wie wir wirklich sind.
Update vom 16.08.2024: So berichtet die Esslinger Zeitung: https://www.esslinger-zeitung.de/inhalt.gespraechsrunde-mit-dem-esslinger-spd-abgeordneten-nicolas-fink-was-macht-der-rechtsruck-mit-der-demokratie.0f23fee4-0968-4f6b-9c69-50644cda201a.html?fbclid=IwY2xjawE0f5pleHRuA2FlbQIxMAABHbPda8v1rgO4LkeTUvDu8u60rOfPTJIYecAECqvULWzaAVEVV_ptVvXc8Q_aem_9HKQb3DJeyDO8ezY_7N3GQ
Update vom 19.08.2024: Die sinngemäßen Aussagen im mittleren Block des Berichts wurde jetzt der jeweiligen Person zugeordnet, welche sie getätigt habe. Warum wurde das nicht gleich so formuliert? Für den Zuhörer waren beide Podiumsteilnehmer, der Politiker Nicolaus Fink (MdL) und der Chefredakteur Johannes M. Fischer ein Kuchen. Es gab keinen nennenswerten Dissens, keinen Widerspruch oder gar der Versuch einer Distanzierung von einer Position des jeweils anderen Podiumsteilnehmers. Wer auf einem Podium sitzt, auf welchem solche Aussagen getätigt werden und nicht widerspricht (obwohl es dazu mehrfach die Gelegenheit gab), der macht sich diese zu eigen – denn woher sollte der Zuhörer wissen, dass er die Meinung des anderen nicht teilt?