Wie ein beleuchtetes Logo den Oberbürgermeister dazu bringt, das Thema Neutralität auf die Tagesordnung zu nehmen!
Von: geschaeftsstelle-gr@esslingen.de [mailto:geschaeftsstelle-gr@esslingen.de]
Gesendet: Donnerstag, 20 Februar 2025 15:07 Uhr
An: Stephan Köthe
Betreff: Beleuchtetes Parteilogo im Fenster Ihres Fraktionszimmers in der Heugasse 1
Sehr geehrter Herr Köthe,
wie vorhin bereits telefonisch besprochen möchten wir Sie darauf hinweisen, dass das zumindest zeitweise beleuchtete Parteilogo im Fenster Ihres Fraktionszimmers in der Heugasse 1 insbesondere zum aktuellen Zeitpunkt kurz vor der Bundestagswahl sowie in unmittelbarer Nähe zur Briefwahlstelle in der Schickhardt-Halle des Alten Rathauses als kritisch zu betrachten ist.
Hintergrund dieser kritischen Betrachtung ist zunächst § 32 Abs. 1 Bundeswahlgesetz. Dieser regelt, dass während der Wahlzeit in und an allen Gebäuden in denen sich Wahlräume befinden jede Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler verboten ist. Eine Beeinflussung kann zum Beispiel durch Wort, Ton, Schrift, Bild oder Unterschriftensammlung erfolgen. Wahlpropaganda ist auch in unmittelbarer Umgebung des Wahlgebäudes unzulässig, wenn sie nach Form und Inhalt geeignet ist, die Wählerinnen und Wähler bei der Stimmabgabe zu beeinflussen. Unabhängig hiervon bestehen Bedenken, ob das beleuchtete Parteilogo im Fenster des seitens der Stadtverwaltung für die Fraktionsarbeit zur Verfügung gestellte Fraktionszimmers in der Heugasse 1 mit dem geltenden Neutralitätsgebot vereinbar ist. Zumindest haben unserer Kenntnis nach bisher andere Fraktionen davon abgesehen, vergleichbare Werbemaßnahmen zu platzieren.
Wir möchten Sie vor diesem Hintergrund hiermit dazu auffordern, dass beleuchtete Parteilogo umgehend zu entfernen. Bitte informieren Sie uns darüber, ob und wann Sie dieser Bitte nachkommen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Geschäftsstelle Gemeinderat
Unsere Antwort vom 20.02.2025 16:28 Uhr:
Betreff: Erwiderung auf Aufforderung zur Entfernung des beleuchteten Parteilogos
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir nehmen Ihr Schreiben vom 20.02.2025 mit Verwunderung zur Kenntnis und weisen Ihre Aufforderung entschieden zurück. Ihre Argumentation ist sowohl juristisch unhaltbar als auch politisch fragwürdig.
- Rechtslage (§ 32 Abs. 1 BWG)
Ihr Verweis auf § 32 Abs. 1 Bundeswahlgesetz ist nicht stichhaltig. Unser Fraktionszimmer ist kein Wahlraum, und die Heugasse 1 ist kein Gebäude, in dem eine Stimmabgabe stattfindet. Das beleuchtete Parteilogo ist von der Schickhardt-Halle aus nicht sichtbar und zudem nur bei Nacht beleuchtet – die Stimmabgabe erfolgt aber tagsüber. Der Gesetzestext spricht explizit von „in und an“ Wahlgebäuden „sowie unmittelbar vor dem Zugang“ – eine allgemeine „unmittelbare Nähe“ ist nicht ausreichend, um eine rechtliche Grundlage für Ihre Forderung zu schaffen. Ihr Versuch, das beleuchtete Parteilogo als Wahlpropaganda im Sinne dieses Paragraphen zu interpretieren, ist rechtlich nicht tragfähig und stellt eine fragwürdige Auslegung zugunsten einer restriktiven Deutung dar. - Gleichbehandlung
Sie behaupten, dass „andere Fraktionen bisher davon abgesehen haben, vergleichbare Werbemaßnahmen zu platzieren“. Das mag sein, ist aber irrelevant. Die Entscheidung anderer Fraktionen ändert nichts an unseren Rechten. Ihre Argumentation legt nahe, dass politische Sichtbarkeit einer Fraktion von der stillschweigenden Zurückhaltung anderer abhängig gemacht werden soll – ein demokratisch bedenklicher Standpunkt. - Fraktionsräume als Arbeitsstätten, nicht als Verwaltungsgebäude
Das von uns genutzte Fraktionszimmer ist eine Räumlichkeit zur Fraktionsarbeit und kein Verwaltungsgebäude der Stadt. Ihre Argumentation zur angeblichen Neutralitätspflicht geht damit ins Leere. Fraktionen sind politisch arbeitende Einheiten, keine Behörden. Es ist daher nicht die Aufgabe der Stadtverwaltung, die öffentliche Sichtbarkeit politischer Akteure zu regulieren, solange dies im Rahmen geltenden Rechts geschieht. - Selektive Anwendung von Neutralitätsgeboten
Wir freuen uns, dass Sie das Thema „Neutralität der Stadtverwaltung“ endlich auf die Tagesordnung nehmen. Unsere Anfrage vom 27.01.2025, wie es dazu kommen konnte, dass die Stadt Esslingen für eine Demonstration gegen die AfD geworben hat, ist bislang nicht beantwortet – länger als die 3 Wochen, die unsere Geschäftsordnung für die Beantwortung von Anfragen vorsieht.
Ebenso ist unsere Anfrage vom 27.01.2025 zum Themenkomplex Amtsblatt/Zwiebel länger als 3 Wochen ausstehend. Seit über einem Jahr finanziert die Stadtverwaltung ein Konstrukt aus Amtsblatt und politischer Beilage, in welcher unsere Partei kategorisch ausgeschlossen wird. Damit erreicht Oberbürgermeister Klopfer, dass unsere Arbeit im Gemeinderat den Bürgern nicht gleichermaßen dargestellt werden kann, wie es unsere Mitbewerber können und er sorgt dafür, dass die Bürger über Kritik an seiner Amtsführung nicht in dem Maße informiert werden, wie es andere Parteien tun könnten, wenn sie denn wollten (hier ist das persönliche Interesse des Oberbürgermeisters). Die anderen Fraktionen/Gruppen profitieren ebenfalls davon, in dem sie kostenlose Artikel veröffentlichen können, ihr Dank ist dem Oberbürgermeister sicher. Der Bürgerwille bleibt auf der Strecke!
In der Tat gibt es bezüglich Neutralität der Stadtverwaltung Handlungsbedarf.
Fazit:
Wir sehen keinen Anlass, Ihrer Aufforderung nachzukommen. Sollte der Oberbürgermeister auf dieser fragwürdigen Rechtsauslegung beharren und weitere Maßnahmen androhen, behalten wir uns rechtliche Schritte vor.