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Zur 8. Sitzung des Gemeinderats am 26.05.2025: Zukunft der Stadtbücherei

Von Stephan Köthe

Der wichtigste Tagesordnungspunkt:

TOP 3: Zukunft der Stadtbücherei

TOP 3: Zukunft der Stadtbücherei

Beschlussantrag
1. Vom Ergebnis der Machbarkeitsstudie zur Stadtbücherei im ehemaligen Modehaus Kögel wird
Kenntnis genommen.

2. Der Verlagerung der Stadtbücherei in die Objekte Zehentgasse 1 und Rathausplatz 14 wird
zugestimmt.

3. Dem Erwerb der Grundstücke Zehentgasse 1 (Flurstück 849) und Rathausplatz 14 (Flurstück
360/4) wird grundsätzlich zugestimmt. Die Verwaltung wird beauftragt, auf Grundlage der in
Anlage 1 genannten Konditionen Ankaufverhandlungen mit der Eigentümerin der Grundstücke
Zehentgasse 1 und Rathausplatz 14 zu führen. Der Ankauf, die wesentlichen Ankaufskonditionen
sowie die Finanzierung der Ankaufskosten werden in einer separaten Vorlage dargestellt und im
Wirtschaftsplan der SGE 2026/2027 berücksichtigt.

4. Die SGE wird beauftragt, VgV-Verfahren durchzuführen und Planer der verschiedenen
Fachdisziplinen bis zur Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung mit Kostenberechnung) nach HOAI zu
beauftragen. Die notwendigen Mittel für Planungsleistungen bis Leistungsphase 3 betragen ca.
840.000 Euro. Der Mittelabfluss für die Durchführung der VgV-Verfahren in 2025 beträgt ca. 75.000 Euro. Diese Mittel stehen im Wirtschaftsplan der SGE 2025 zur Verfügung.

5. Der Antrag der Fraktion Die Linke/ FÜR Esslingen und die Gruppe „WIR/Sportplätze erhalten“
einen Bürgerentscheid zur Standortfrage der Stadtbücherei nach § 21 Abs. 1 GemO erbeizuführen wird abgelehnt.

6. Die Verwaltung wird beauftragt, eine inhaltliche Grobkonzeption für ein zukünftiges
Stadtmuseum unter Einbeziehung des Schreiber-Museums zu erarbeiten und dem Gemeinderat im ersten Quartal 2026 vorzulegen.

7. Nach Freigabe durch den Gemeinderat wird im Jahr 2026 eine Machbarkeitsstudie erstellt, wie
diese inhaltliche Konzeption im Bebenhäuser Pfleghof räumlich und baulich-technisch umgesetzt
werden kann.

8. Vom Ergebnis der Machbarkeitsstudie zur Heugasse 11 wird Kenntnis genommen.

Die Rede von Stephan Köthe zu TOP 3: Zukunft der Stadtbücherei

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Klopfer,
sehr geehrte Bürgermeister Rust, Sigel, Bayraktar,
liebe Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
liebe Bürgerinnen und Bürger,

wir AfD-Gemeinderäte sehen 3 Kategorien von Gründen, welche jede für sich schon hinreichend ist, um dieses Vorhaben in Gänze abzulehnen.
1) finanzielle
2) strategische und
3) moralische Gründe.

1. Zu den finanziellen Gründen

Die Bücherei im Kögel wird uns mindestens 20 Millionen Euro kosten. Ein weiteres historisches Gebäude geht in den städtischen Besitz über. Es wird fortlaufende kostenintensive Pflege benötigen.
Dazu kommen die Kosten für die Renovierung der Heugasse 11: dafür werden 4 Millionen Euro veranschlagt – Bislang wurden dafür 11,7 Millionen geschätzt.
Dazu kommen die Kosten für Renovierung der Heugasse 9 (Bebenhäuser Pfleghof), der Webergasse 4 (Kutschersaal/Fruchtkasten) und der Webergasse 6 (Nanzhalle). Dafür wurden zuerst 25 Millionen veranschlagt, dann sollte es 61,5 Millionen Euro kosten und im Dezember 2022 wurde eine „kleine Lösung“ für nur noch 17,3 Millionen vorgeschlagen.
Addiert man alles zusammen kommt man auf Gesamtkosten, also mit Kögel, zwischen 41 und 80 Millionen je nachdem, welche Kostenschätzung zur Berechnung herangezogen wird! Wenn die Renovierung der Heugasse mal 11, dann 4 Millionen kostet und die Renovierung des Pfleghofs mal 25 dann 61 und zuletzt 17,3 Millionen Euro kostet, kann der Eindruck entstehen, dass Planungsprämissen zu sehr hohen Kostenschätzungen führen, und zwar immer dann, wenn eine Umsetzung nicht gewünscht ist, und im umgekehrten Fall, auch moderat ausfallen können, immer dann, wenn eine Umsetzung angestrebt wird.

Um die Renovierung der Gebäude, die bereits in städtischer Hand sind, die Heugasse 9-11 und die Webergasse 4-6, werden wir nicht umherkommen. Dafür müssen wir circa 21 Millionen einplanen. Aber zu diesen unumgänglichen Belastungen ohne Not weitere Belastungen in Höhe von zusätzlichen 20 Millionen Euro auf uns zu nehmen, das können wir in Anbetracht der Haushaltslage und der Wirtschaftsprognosen nicht verantworten.

Wir gehen davon aus, dass der Kögel letztendlich aus den städtischen Rücklagen bezahlt werden muss. Unsere Rücklagen brauchen wir aber dringend, um die kommenden Jahre gut zu überstehen. Jetzt ein weiteres Gebäude in dieser Größenordnung – in diesem Zustand – in den städtischen Besitz zu übernehmen, das können wir uns schlichtweg nicht leisten! Weder in der Anschaffung noch im Betrieb!

2. Zu den strategischen Gründen

Wir verstehen den Lösungsansatz der Stadtverwaltung, die Bücherei umzuziehen und zu vergrößern und gleichzeitig die Städtischen Museen konzeptionell und räumlich neu aufzustellen. Für sich alleine betrachtet, hat dieser Lösungsansatz Charme. Aber in der Gesamtschau unserer Stadt, ist die Umwidmung der Kögel-Flächen eine strategische Fehlentscheidung. Warum ist das so? Die dringlichste Herausforderung Esslingens ist nicht die Modernisierung der Bücherei, es sind auch nicht die Neukonzeption der städtischen Museen, die dringlichste Herausforderung Esslingens ist der Einzelhandel. Wie können wir unseren Esslinger Einzelhändlern eine Perspektive geben? Was brauchen unsere Einzelhändlern am Allernötigsten? Egal, mit welchem Einzelhändler Sie in Esslingen sprechen, alle sagen unisono: wir brauchen mehr Kunden in der Innenstadt, wir brauchen einen „Kunden-Magneten“, einen „Ankerhändler“, der so attraktiv ist, dass Kunden seinetwegen in die Stadt kommen. Die Kunden gibt es – sie gehen nur wo anders hin – die Kundenmagneten gibt es auch – sie stehen nur woanders.
Die Kögel-Flächen sind die letzte Möglichkeit, einen Kunden-Magneten für Esslingen zu gewinnen. Seit 2021 haben mehr als 15 renommierte Einzelhändler den Betrieb eingestellt.
Wenn wir die Kögel-Flächen umnutzen, geben wir unsere verbliebenen Einzelhändler auf.
Wenn wir die Kögel-Flächen umnutzen, ist Esslingen als Stadt, in der man gerne shoppen geht, Geschichte.


3. Zu den moralischen Gründen

Am 10.2.2019 fand der erste Bürgerentscheid in der Geschichte Esslingens statt. Die Abstimmungsfrage lautete: Sind Sie dafür, dass die Esslinger Stadtbücherei am aktuellen Standort in der Heugasse modernisiert und erweitert wird und der Grundsatzbeschluss des Gemeinderats für einen Neubau der Stadtbücherei am Standort Küferstraße/Kupfergasse aufgehoben wird?
78% der Wähler – 15.321 Bürgerinnen und Bürger – stimmten für die Modernisierung und Erweiterung am aktuellen Standort in der Heugasse.
Am 25. Juli 2021, 2 Jahre nach dem Bürgerentscheid, wurde unser Oberbürgermeister Matthias Klopfer mit 13.063 Stimmen gewählt. Das sind 2.258 Stimmen weniger. Der Bürgerentscheid ist damit stärker demokratisch legitimiert als unser Oberbürgermeister.
Und jetzt sollen wir Stadträte gegen den Bürgerentscheid stimmen? Für ein Prestige-Projekt, das wir uns nicht leisten können? Was ist das für ein fatales Signal! Der erste Bürgerentscheid in der Geschichte Esslingens – und wir setzen ihn nicht um? Es ist Ehrensache, den Bürgerentscheid umzusetzen! Auch dann, wenn es dafür rechtlich aufgrund des Ablaufs der 3 Jahresfrist keine Notwendigkeit mehr gibt.
Man kann argumentieren, dass es jetzt mit den Kögel-Flächen eine neue Option gibt, welche damals nicht zur Debatte stand. Das ist ein legitimes Argument. Wenn wir Stadträte mehrheitlich der Meinung sind, dass sich die Faktenlage so stark verändert hat, dass wir nicht mehr an den Bürgerentscheid gebunden sind, dann ist es Ehrensache, dass der Bürger erneut befragt wird. Ein Bürgerentscheid sollte nur durch einen Bürgerentscheid geändert werden.
Wir unterstützen den Antrag der Fraktionsgemeinschaft Die Linke/ FÜR Esslingen und der Gruppe „WIR/Sportplätze erhalten“ die Standortfrage der Stadtbücherei erneut durch einen Bürgerentscheid zu klären. Die Frage lautet: „Sind Sie für den Verbleib der Stadtbücherei an seinem bisherigen Standort im Bebenhäuser Pfleghof?“
Bei dieser Frage geht es um nicht weniger, als um die Glaubwürdigkeit unseres politischen Handelns. Wir sind den Bürgern Esslingens verpflichtet, deren Wille geschehe.

Zu Frau Silberhorn-Hemminger: Die Bürger ist mündig. Wenn er 2019 zur Bücherei entscheiden konnte, dann kann er das auch in 2025.

Bezüglich Heugasse 11: Wir unterstützen die Idee des Fördervereins der Stadtbücherei, die Heugasse 11 zu renovieren und als „Lernhaus“ zu nutzen.
Für das Anliegen der Waisenhofschule, das Schwörhaus für schulische Zwecke zu nutzen, suchen wir eine Lösung, welche ohne die Kögel-Flächen realisiert werden kann.

Zusammenfassend: Aus finanziellen, strategischen und moralischen Gründen können wir einer Verlagerung der Stadtbücherei in den Kögel nicht zustimmen.

Einschätzung, wie sich die einzelnen Fraktionen positionieren:

Fraktion/Gruppe/OberbürgermeisterMitgliederBücherei in den Kögel?
CDU8?
Bündnis 90/Die Grünen8Ja
SPD6Ja
Freie Wähler6Ja
FDP/Volt4Nein
Die Linke/FÜR Esslingen3Bürgerentscheid
AfD3Bürgerentscheid
WIR/Sportplätze erhalten2Bürgerentscheid
Oberbürgermeister Klopfer (SPD)1Ja
Summe:Ja: 21

Was hier als scheinbarer Meinungsbildungsprozess der Öffentlichkeit gezeigt wird, ist bereits ausgemachte Sache. Der Bürgermeister-Deal bringt die gewünschten Ergebnisse, auch wenn – oder gerade weil – sich die CDU an dieser Stelle als scheinbare Opposition inszeniert. Die 4 großen Fraktionen wissen: die Mehrheit für den Umzug der Bücherei in den Kögel steht. OB Klopfer spricht von sehr knappen Mehrheitsverhältnissen. Er weiß: durch den Einkauf von CDU, Grüne, SPD und CDU, wird er seine Pläne umsetzen können. Die Bevölkerung wird nicht gefragt – bezahlen wird sie es.

So berichtet die Esslinger Zeitung am 28.05.2025 von der Sitzung: Hauchdünne Bücherei-Entscheidung erwartet. Wir meinen: Gerade weil so eine hauchdünne Mehrheit erwartet wird, sollten die Esslinger Bürgerinnen und Bürger entscheiden – nicht der Oberbürgermeister (die eine Stimme, welche nach derzeitigen Wissen die Mehrheit bringt).

Bonus: Ein Dritter Ort für Esslingen – Vision zur Inneneinrichtung | includi – wir meinen: das ist eine für unsere Stadt angemessene Lösung.

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