Zum Entwurf des Doppelhaushalts 2026/2027 inkl. mittelfristiger Planung bis 2030

Von Stephan Köthe

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Stadträte,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,

[An dieser Stelle sprach ich spontan zu Stadtrat Nicolas Fink (SPD), welcher einen erheblichen Teil seiner Redezeit nutzen musste, weil er sich so sehr über diesen Artikel geärgert hat: Ein Beispiel dafür, wie die politische Kultur in Esslingen unter OB Matthias Klopfer leidet.
Stadträtin Dr. Silberhorn-Hemminger (Freie Wähler) hat sich selbstkritisch zu ihrer Positionierung zum 5. Bürgermeister geäußert, was mich positiv überrascht hat und ich eingangs zu meiner Rede lobend erwähnt habe. Der Redebeitrag wird nachgereicht.]

Zum Entwurf des Doppelhaushalts 2026/2027 inkl. mittelfristiger Planung bis 2030.

Ich habe 3 Punkte:

  1. Zur Lage
  2. Zu den Handlungsoptionen
  3. Zu dem, was aus unserer Sicht jetzt richtig ist

1) Zur Lage

a) zur Einnahmenseite: wir befinden uns mitten in der menschengemachten sogenannten Transformation. Diese Transformation ist nichts anderes als eine euphemistische Umschreibung für die Deindustrialisierung unseres Landes. Wir befinden uns mitten in einer Zeitenwende! Unsere soziale Marktwirtschaft geht zugrunde an einem fatalen Mix aus einer völlig verfehlten Energiepolitik, einer überbordenden Bürokratie, einer maximal invasiven Gesetzgebung, Emissionsgesetzen, Lieferkettengesetz, etc. etc. Wer will unter diesen Bedingungen noch unternehmerisch tätig werden? Für unsere Stadt bedeutet das: Die Einnahmen insbesondere aus der Gewerbesteuer werden auf Dauer massiv sinken.

b) zur Ausgabenseite: immer neue Gesetze des Bundes und des Landes sorgen für immer mehr Leistungszusagen gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern. Die Kommunen müssen diese Leistungen umsetzen, werden aber dafür nicht vollumfänglich gegenfinanziert. Hinzukommen Tarifsteigerungen und Inflation. Die Ausgaben werden auch in den nächsten Jahren weiter ansteigen. Davon ist nicht nur unsere Stadt, sondern auch der Landkreis betroffen. Die Kreisumlage wird deshalb in den nächsten Jahren deutlich ansteigen müssen – notwendigerweise! Stadt und Landkreis müssen jetzt viel enger zusammenrücken und nach Überlebensstrategien und Synergien suchen, das gilt auch für die medizinische Versorgung und den ÖPNV. Es geht um nicht weniger als um das Überleben der kommunalen Familie.

Zusammenfassend: die wegbrechende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auf der einen Seite sorgt in Kombination mit einer Überdehnung der Leistungszusagen an unsere Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite für eine Situation, welche wir nur wenige Jahre auf Kosten unserer Rücklagen durchhalten können – ohne grundlegende Korrekturen kommen wir mit Sicherheit an unser Ende, die Frage ist nur: Wann?

2) Zu den Handlungsoptionen: Was können wir als Gemeinderat tun?

a) Sollten wir freiwillige Leistungen streichen? Selbst wenn wir alle freiwilligen Leistungen streichen, wird das auf Dauer nicht reichen, die Finanzierungslücke zu schließen. Das heißt nicht, dass wir nicht alle Positionen auf Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit überprüfen sollten. Aber viele unserer freiwilligen Leistungen sind wichtig für das Zusammenleben und verhindern zukünftige Ausgaben, zu denen wir gesetzlich verpflichtet sind. Massiv freiwillige Leistungen zu streichen ist keine Lösung!

b) Sollten wir Steuern anheben und neue Steuern einführen? Nur extreme Steuererhöhungen und neue Steuern, die massiv auf unsere Stadtgesellschaft einwirken, könnten uns wenige Jahre Zeit kaufen. Das Problem wird aber dadurch im Kern nicht gelöst. Zudem würde das zu Preissteigerungen und Abwanderungseffekten führen, die niemand möchte. Steuererhöhungen und neuen Steuern können die strukturellen Probleme nicht lösen! Wir lehnen daher weitere Belastungen für unserer Bürgerinnen und Bürger und unsere Wirtschaft ab.

c) Sollte die Stadtverwaltung massiv Stellen abbauen? Damit wir als Stadt die gesetzlichen Vorgaben erfüllen können, benötigen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir begrüßen den angekündigten moderaten, sozialverträglichen Abbau, aber sagen ganz deutlich: damit ist die Schmerzgrenze erreicht! Man darf diese Krise nicht auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter austragen. Weitere Stellenstreichungen lehnen wir ab. Einsparmöglichkeiten sehen wir in einer Reform der Dezernatsstruktur und einer damit verbunden Reduzierung der Bürgermeister von 4 auf 3 – ab 2028.
Abschließend muss an dieser Stelle konstatiert werden, dass die kommunale Selbstverwaltung, die verfassungsrechtlich garantiert ist, nur noch sehr eingeschränkt funktioniert. Wir setzen nur noch um, was gesetzlich vorgegeben wird, darüber hinaus gibt es immer weniger Handlungsoptionen.

3) Zu dem, was aus unserer Sicht jetzt richtig ist

Die Situation, in die wir geraten sind, ist durch Rahmenbedingungen entstanden, die von Bund und Land zu verantworten sind – die Lösung muss daher von Bund und Land kommen. Im Moment ist eine wesentliche Verbesserung nicht in Sicht. Im Gegenteil, ich sehe 2 beängstigende Entwicklungen:

1) Die unfassbare Neuverschuldung von 850 Milliarden Euro durch die Bundesregierung. Aber selbst diese extreme Neuverschuldung wird nicht ausreichen, um die Defizite der kommunalen Familie auf Dauer vollständig auszugleichen. Die Neuverschuldung ist keine Lösung – im Gegenteil, sie ist zukünftig ein zusätzliches Problem! Sie wird uns durch die Zinszahlungen noch weiter belasten. Wie wollen wir das unseren Kindern und Enkel erklären?

2) Ich wage es kaum auszusprechen, aber ich halte es für möglich, dass man auf die Idee kommen könnte, aufgrund der Folgen einer völlig verfehlten Politik der letzten Jahrzehnte, den gigantischen Schulden und den leeren Sozialkassen, in einen internationalen Konflikt zu geraten, mit dem man alle Missstände unseres Landes erklären könnte. Bundeskanzler Merz sagte im September 2025: „Wir sind nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden„. Die Ausrufung des Spannungsfalls wäre der erste Schritt und ein Türöffner für die Apokalypse. Wenn das eintritt: rette sich – wer kann!

Ich komme zum Schluss: Für den Doppelhaushalt 2026/2027 und die mittelfristige Planung bis 2030 fordern wir eine realistische Planung der Steuereinnahmen und der Kreisumlage in enger Absprache mit dem Landkreis. Eine Weiterentwicklung unserer 10 Jahresdurchschnitts-Formel für die Gewerbesteuer hin zu einer dieser historischen Krise angemessenen Formel, ist notwendig. Wenn wir jetzt nicht realistisch planen, werden wir Getriebene sein: von einem Nachtragshaushalt zum anderen! Wenn wir aber jetzt realistisch planen, wird das in Verbindung mit dem guten Haushalten der letzten Jahre dafür sorgen, dass wir Zeit gewinnen. Den Haushaltsentwurf in seiner jetzigen Form lehnen wir ab.

Hoffen wir gemeinsam, dass die längst überfälligen Veränderungen endlich eintreten – damit unsere Gesellschaft nicht auseinanderbricht.

Link zum Antrag zur Korrektur des Doppelhaushalt-Entwurfs und der mittelfristigen Finanzplanung der Stadt Esslingen unter Annahme einer stärkeren Wirtschaftskrise

So berichtet die Esslinger Zeitung: Schlagabtausch über die Stadtfinanzen
Stephan Köthe sieht Anzeichen einer „Deindustrialisierung unseres Landes“, die sich auch auf die Stadt-Finanzen auswirken werde: „Die Einnahmen insbesondere aus der Gewerbesteuer werden auf Dauer massiv sinken.“ Köthe fordert: „Stadt und Landkreis müssen viel enger zusammenrücken und nach Überlebensstrategien und Synergien suchen“ – etwa bei der medizinischen Versorgung und dem öffentlichen Nahverkehr. Weder die Streichung von Freiwilligkeitsleistungen noch die höhere Belastung der Bürger löse die Probleme. Köthe will eine Dezernentenstelle streichen und eine „realistische Planung der Gewerbesteuereinnahmen“, und er nimmt Bund und Land bei der Finanzierung der Kommunen in die Pflicht.

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